Man gewöhnt sich an alles...

Kaum hatten wir das Auto, ging es Schlag auf Schlag. Kevin meldete sich per Email und teilte uns mit, dass er einen Job auf einer der Apfelplantagen für uns hätte. Wir mussten lediglich noch den Supervisor kontaktieren, um die Details zu klären und dann könnte es zwei Tage später auch schon losgehen. Richard, so hieß der gute Mann, war bereits am Telefon ziemlich wortkarg. Er erkundigte sich kurz, ob wir Vorkenntnisse besaßen und bat darum, ihn nochmals anzurufen, sobald wir in Hastings angekommen sind, damit er uns den Weg zur Farm beschreiben konnte. Also packten wir flux unsere sieben Sachen und fuhren in die knapp fünfhundert Kilometer entfernte Stadt. Der Weg dorthin führte uns über gewundene Bergstraßen und nebelverhangene Täler, vorbei an etlichen Weiden, auf denen zu unserem Erstaunen, statt er erwarteten Schafe meist Hirsche gehalten wurden. Mit jedem Kilometer wurde das Wetter schlechter. Mittlerweile regnete es in Strömen und die tiefhängenden Wolken ließen nur noch erahnen, was für ein Panorama sich hinter ihnen verbarg. An den Waipunga Falls machten wir eine Pause und warfen einen kurzen Blick auf die Wasserfälle. Sie waren ganz nett anzusehen, aber das Wetter bestand darauf, dass wir die Kameras im Auto ließen. Weil wir ohnehin nicht mehr all zu weit weg von Hastings waren, beschlossen wir den Fototermin zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. In der Stadt angekommen, kontaktierte ich sogleich Richard, um zu erfahren wo wir hinkommen sollten.

Patzig teilte er mir mit, dass er beim besten Willen besseres zu tun hätte, als sich mit uns zu treffen. Okaaay...etwas irritiert entschuldigte ich mich für das Missverständnis, obgleich ich mir zu hundert Prozent sicher war, dass er exakt das gesagt hatte. Wo wir denn übernachten, wollte er als nächstes wissen. Das hatte ich ihm eigentlich schon bei unserem ersten Gespräch mitgeteilt, wiederholte aber brav, dass wir die kostenfreien Campspots nutzen werden, uns aber noch nicht für einen bestimmten entschieden hätten. „WO genau?“, schnautze er ins Telefon und fing an mit mir zu sprechen, als würde ich kein Englisch verstehen. Er kann mir ja schließlich keine Wegbeschreibung geben, wenn er nicht weiss, wo wir genau sind:  „DO - YOU - UNDERSTAND!!?“

Natürlich „understand“ ich, spreche ja nicht erst seit gestern Englisch. Ich glaube eher das Problem liegt am anderen Ende. Per SMS sollte ich ihm später unseren Standort mitteilen. Er würde dann anschließend die Beschreibung durch schicken. Gesagt, getan. Die Antwort ließ auf sich warten und dementsprechend ausführlich, erwarteten wir deren Inhalt. „75 Palomino Road“ , stand dort geschrieben. Nicht mehr und nicht weniger. In diesem Falle müssen wir uns wohl bei Richard für unser Defizit entschuldigen. Waren wir doch tatsächlich davon ausgegangen, dass eine solch detaillierte Wegbeschreibung, keines Standortes bedarf. Zum Glück hat er uns eines besseren belehrt. Stellt euch mal vor, man hätte uns gleich beim ersten Gespräch einfach nur die Anschrift mitgeteilt. Wir hätten uns hoffnungslos verfahren, garantiert! Die Chancen am kommenden Tag tatsächlich arbeiten zu können, schwanden unseres Erachtens aber gegen Null, denn es hatte die komplette Nacht durch geregnet und tat es auch noch, als wir am nächsten morgen auf die Plantage fuhren. Erwartet wurden wir nicht und so folgten wir einem anderen Backpacker, der augenscheinlich auf dem Weg zum Pflücken war. Wir stiegen mit ihm durch die Hecke auf das Nachbargrundstück und stellten uns zwei Männern vor, die so aussahen, als würden sie zur Plantage gehören. Keiner der beiden war Richard, wie sie allerdings hießen, hatten wir kurz darauf auch schon wieder vergessen. Zu perplex waren wir von der Tatsache, dass man uns ohne Umschweife, wortkarg zwei Erntebeutel in die Hand drückte und uns in einer Apfelbaumreihe abstellte. „Nehmt die mit!“, rief man uns zu und deutete auf zwei große Klappleitern. Ross hatte uns schon mitgeteilt, dass in Neuseeland so gut wie keine Erntemaschinen zum Einsatz kommen und so hatten wir uns von dem Gedanken, wieder in einem Squirrel durch die Plantagen zu kurven, bereits verabschieden können. Der eine Typ nahm einen Apfel von Baum und sagte, dass wir nur Früchte dieser Farbe oder dunkler pflücken sollten. Es handelte sich hierbei also um eine selektierte Ernte. Mit der durften wir ja bereits in Australien schon Bekanntschaft machen. Wie war das doch gleich? Ist der Apfel nun rot oder ROT!? Das war allerdings auch schon alles, was man uns an Informationen mit auf den Weg gab. Mit den Worten „Ihr wisst ja, wie es geht. Have Fun!“, ließ man uns daraufhin in der Reihe zurück. Etwas unbeholfen fingen wir an zu pflücken. Wir hatten zwar Erfahrung, aber jeder Arbeitgeber hat andere Vorstellungen was den Ablauf der Ernte betrifft. Was war beispielsweise mit den fehlerhaften Äpfeln - mitnehmen, wegwerfen oder hängen lassen? Pflücken wir zusammen oder getrennt? Werden wir per Stunde oder auf Leistung bezahlt? Und wieviel wird das sein? Fragen über Fragen, die es eigentlich vorab zu klären galt. Von dem unterschreiben eines Arbeitsvertrages mal ganz zu schweigen. (Diesen gab es dann übrigens am Ende des dritten Arbeitstages...) Ach ja, und dann war da noch der nicht enden wollende Regen. Rob und Cheryl hatten uns stets ermahnt zu unterbrechen, sobald es stark oder länger als eine Stunde regnete. Zu groß war die Gefahr, die Äpfel zu beschädigen. Hier schien das allem Anschein nach, jedoch reichlich wenig zu interessieren. Wenn man sich die Äpfel an den Bäumen anschaute, war Qualität aber ohnehin wohl eher Nebensache. Sonnenbrand, Hagelschäden, unförmig, eingerissen, aufgeplatzt, angefressen…You name it! 

Nur wohin mit dem ganzen Kram? Ich machte mich auf die Suche nach den zwei Männern und klärte kurz die wichtigsten Fragen. Darunter auch die des Verdienstes. Wir pflückten hier demnach per Contract. Das bedeutete, dass wir pro Kiste (Bin) bezahlt wurden und wir definitiv einen Zahn zulegen mussten, wenn sich das Ganze auch lohnen sollte. Blöd nur, wenn man sich bei jedem Apfel fragen muss, ob er jetzt die erforderten Kriterien erfüllt oder nicht. So kamen wir auf keinen grünen Zweig. Also warfen einen kurzen Blick in die Kisten der Nachbarreihen, um zu sehen wie die sich so schlugen. Wärend die eine gleichmäßig rot aussah, mangelte es der auf der anderen Seite hingegen, ziemlich an Farbe. Wir entschieden uns folglich für den Mittelweg und nahmen einfach die Äpfel mit, bei denen wir uns unsicher waren, schauten aber darauf, dass das Farbverhältnis stets ausgeglichen war. Richard, den wir nun auch endlich zu Gesicht bekamen, schien jedenfalls zufrieden. Zumindest sagte er nichts. Er begrüßte uns sporadisch, kritzelte etwas auf einen Notizblock und tackerte das Niedergeschriebene anschließend an unseren Bin. Richard war Ende fünfzig, hatte struppiges, weisses Haar und sein markantes, wettergezeichnetes Gesicht, war stets zu einer ernsten Miene verzogen. 

Mit seinem Cowboyhut und dem langen, abgetragenen Ledermantel, erinnerte er irgendwie an diese zwielichtigen Typen aus den Western Filmen. Selbstsicher schritt er langsam durch die Reihen, markierte die Kisten und musterte alles und jeden unter dem Hutsaum hervor. Gesprochen wurde nur das nötigste. Kritisch wurde jeder Bin begutachtet und diverse Äpfel wortlos aussortiert. Wenn er mit seiner tiefen, rauhen Stimme doch mal etwas zu sagen hatte, vermied er es, einem dabei in die Augen zu sehen. Eine sehr seltsame Person. Allgemein war es eine eigenartige Stimmung. Auch die zwei anderen Männer, würdigten uns nur selten eines Blickes. Es erweckte den Anschein, als sei man zu wertlos, um eine Unterhaltung daran zu verschwenden. Man diente lediglich als Mittel zum Zweck, darauf reduziert, die Ernte schnell einzuholen. Selbstverständlich war uns bewusst, dass wir nur zu den Hunderten von Backpackern gehörten, die hier jährlich über die Plantagen laufen und nach ein paar Wochen auf Nimmerwiedersehen verschwinden, dennoch wäre es schön gewesen,  zumindest das Gefühl zu haben, man sei Willkommen. Wir kamen uns richtig minderwertig vor. Warum haben wir doch gleich den Job angenommen? Hatten wir uns nicht geschworen, unserem Körper niemals die Qual des Apfelpflückens auf Leistung anzutun? Stimmt, da war doch was. Eigentlich wollten wir lieber in einem Packhouse arbeiten, doch die Antworten auf unsere Bewerbungen standen noch aus und einfach nur rumsitzen und Däumchen drehen, wollten wir auch nicht. Also weg mit dem Schwur! Wird schon irgendwie gehen... - Ja, ganz tolle Idee! Wir wussten nicht was Schmerzen sind, bevor wir diesen Job annahmen. Nach dem ersten Arbeitstag, schafften wir es nur mit größter Mühe, uns auf der Suche nach etwas Essbarem, durch die Gänge des Supermarktes zu schleppen. Wir fühlten uns wie von der Dampfwalze überfahren. Am liebsten wäre ich auf allen Vieren gekrochen, aber das hätte dann doch zu viele Blicke auf sich gezogen. Jede einzelne Faser des Körpers schmerzte und die darauf folgenden Tage waren die schlimmsten. Insbesondere Nacken, Schultern und Rücken, hatten unter der schweren Last zu leiden. Damit ihr eine grobe Vorstellung dessen bekommt: Circa dreißig Kilo wog ein voller Beutel, fünfhundert passten in einen Bin und pro Tag haben wir, je nach Reihe und Apfelsorte, bis zu sechzehn Kisten gefüllt. Ergo, sind also knapp acht! Tonnen Äpfel, tagtäglich über unsere Schultern gewandert. Schon irre, wenn man sich das mal vor Augen führt. Dementsprechend brachte auch unser Körper sein Missfallen zum Ausdruck: Wir konnten uns schier nicht mehr bewegen. Jeden Abend folgte dasselbe Spiel. Mit letzter Kraft wurden noch schnell ein paar Nudeln gekocht, bevor wir ächzend ins Bett krochen und uns schworen, dass es das letzte Mal war, das wir dort hingegangen sind. Irgendetwas trieb uns am nächsten Morgen aber dann doch wieder hin. Ob es der Stolz war, nicht aufgeben zu wollen, aus Anstand gegenüber Ross und Kevin oder die Möglichkeit in kurzer Zeit gutes Geld zu verdienen - wir konnten es nicht wirklich beantworten. Vermutlich ein Mix aus allem, gepaart mit dem scheinbaren Hang zur Selbstkasteiung. Denn auch, als man uns fragte ob wir am (eigentlich freien) Sonntag arbeiten wollten, hörten wir uns sagen: „Ja, liebend gerne wollen wir!“. 

Verflixt, hatten wir tatsächlich freiwillig einem zusätzlichen Tag Folter zugestimmt? Selbst meine Hose protestierte und verabschiedete sich mit einem großen -RRRATSCH- von dem Geschehen. Siehe da, nun hatte ich plötzlich die volle Aufmerksamkeit von Richard, der sich gar nicht mehr von der, doch nun sehr "atmungsaktiven", Hose abwenden konnte. Ich beschloss lieber fünf Mintuen zum umziehen zu opfern, bevor ich auf die Leiter stieg und dem armen Mann womöglich noch die Augen aus dem Kopf fielen. An besagtem Sonntag, legte sich Jan dann auch noch mit Richard an, als dieser und das nicht zum ersten Mal, uns einfach am Ende einer Reihe stehen ließ, ohne uns einer neuen zuzuweisen. Von den gefühlten Kilometern, die man zum Entleeren des vollen Beutels zurücklegen musste, mal ganz zu schweigen. Teilweise haben wir uns die schweren, noch leeren Bins vor- oder zurück wuchten müssen, da man nicht im Stande war, diese dem Fruchtertrag entsprechend abzustellen. All das kostete unheimlich Zeit und vor allem brachte es uns, um unser hart verdientes Geld. Auch ich war sauer, ahnte aber nichts Gutes, wenn wir uns jetzt beschwerten.  Jan versuchte sich zu beherrschen, doch der Hulk war bereits entfesselt und schlug Richard seine mangelnde Organisationsfähigkeit um die Ohren. OhOh... Richard keifte zurück, während ich auf Jan einredete. 

Glücklicherweise war nach einem kurzen Schlagabtausch auch schon wieder alles vorbei, doch die folgenden Tage bekamen wir zu spüren, was es hieß, sich mit dem Supervisor anzulegen. Plötzlich hatte man an der Art, wie ich meinen Beutel entleerte, etwas auszusetzten, ständig wurden wir wegen irgendwelcher Nichtigkeiten ermahnt oder bekamen auffällig oft, die unbeliebten Außenreihen (dichteres Blattwerk, weniger Früchte) zugewiesen. Das war zwar ärgerlich, aber es pushte uns nur noch mehr darin, nicht aufzugeben! Nach vier Tagen Höllenqualen, gewöhnte sich der Körper langsam an die Belastung - Zumindest redeten wir uns das ein. In einem Secondhandladen stießen wir auf zwei Schaumstoffreste, welche ich mir, zur Dämpfung der Druckstellen, künftig unter das T-Shirt steckte. Mit den überdimensionalen Schultern, sah ich aus wie ein Rugby Spieler. Als einzige Frau auf der Plantage (was ich mittlerweile voll und ganz nachvollziehen kann), konnte ich nun zumindest optisch, mit den Männern mithalten. Ich war zwar flink beim Pflücken, doch mit der Handhabung der riesigen Leitern, hatte ich so meine Mühen. Schon das Tragen fiel mir schwer, besonders wenn es galt sie über den Bin hinweg zu hieven. Das eigentliche Problem, spielte sich aber auf der Leiter ab. Mit dem schweren, unhandlichen Beutel vor dem Bauch, musste ich ständig aufpassen, nicht den Halt zu verlieren oder gar vorne über zu kippen. Das war bei schönem Wetter schon ein Kampf, aber im Regen, mit zentimeterdickem Matsch an den Füßen, schier unmöglich. Auch Jan hatte mit den Tücken der Leiter zu kämpfen, konnte aber durch seine Größe, oft in einem Aufstieg gleich alles abgreifen und so war er meist derjenige, der sich in die Baumwipfel wagte, wärend ich mich durch das Blätterwerk am Boden schlug. Durch seinen aufopfernden Einsatz blieben mir ausgeschlagene Zähne und etwaige Knochenbrüche erspart, weshalb ich ihm auch den blauen Zeh verzieh, den er mir mit einer Stampfattacke seines Wanderschuhs verpasste. Ein ganz großes Dankeschön an dieser Stelle an meinen Baumkraxler, für die Mühen, die er tagtäglich auf sich genommen hat! Neben den Backpackern und einigen Einheimischen, waren vor allem Polynesier auf den Plantagen beschäftigt. Der Grund dafür ist nicht zuletzt ihre unglaubliche Schnelligkeit. Unsere Kollegen kamen aus Vanuatu. Eine absolut lustige Truppe, die alles und jedem mit einem Lächeln begegneten. Dank eines Sonderabkommens zwischen den beiden Ländern sowie einer Art Los zu ihren Gunsten, haben sie jedes Jahr die Möglichkeit, für sechs Monate hier auf den Farmen zu arbeiten. Bei den Welten die zwischen dem Einkommen liegen, ist es das Beste was ihnen passieren konnte und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie, ähnlich wie wir, nur so vor Energie sprühten. Ganz so locker, wie unseren Kollegen, ging uns das Pflücken aber noch nicht von der Hand. Sie erfreuten sich des Lebens, alberten herum, lachten und sangen, während sie sich ihr kleines Vermögen erpflückten. Und das alles in einer Geschwindigkeit, die selbst Richards Sprachlosigkeit vorrübergehend außer Kraft setzte. Begeistert teilte er jedem mit, welch unfassbare Mengen sie am jeweiligen Vortag gepflückt hatten. Wir waren uns nicht sicher, ob es wirklich anspornte oder doch eher Verzweiflung auslöste. Immerhin konnten wir mit den "Normalsterblichen" (den langjährigen, einheimischen Pflückern) mithalten, auch wenn wir abends meist die Letzten waren, die das Schlachtfeld verließen. Die Ernte beschränkte sich im Übrigen auf die Sorten Pink Lady, Fuji und Pacific Rose. Auf den ersten Biss sind alle sehr appetitlich. Der Unterschied entsteht erst, wenn es nicht mehr direkt vom Baum in den Mund geht. Bereits nach kurzer Lagerzeit, setzt sich vor allem der Fuji-Apfel, geschmacklich sehr weit nach hinten ab. Wie ihr seht, haben wir auch hier wieder ausgiebige Feldstudien betrieben. Nachdem wir uns mittlerweile durch diverse Apfelplantagen Ozeaniens geknabbert haben, gehen für uns die Sorten Pink Lady sowie Ambrosia als klare Gesamtsieger hervor. Beide sind lecker-saftig, nicht zu sauer und bleiben auch noch lange nach der Ernte knackig frisch. Der Ambrosia-Apfel ist übrigens erst 1990 aus einem Zufallssämling der Sorte Jonagold entstanden und kommt diesem im Geschmack auch sehr nahe, allerdings noch einen kleinen Tick besser. Er oxidiert nur langsam und bleibt daher selbst aufgeschnitten mehrere Stunden lang frisch, ohne braun zu werden. Ein wahres Allroundtalent also, der sich auch prima also Koch- und Backapfel verwenden lässt. Wo wir gerade beim Thema sind, müssen wir euch unbedingt noch einen guten, wenn auch ungewöhnlichen, Verwendungszweck des Granny Smith-Apfels verraten. Wir selbst haben den Tipp in Australien bekommen und sind hellauf begeistert davon. Wenn ihr das nächste Mal eine Tomatensoße zubereitet, schneidet neben euren gewöhnlichen Zutaten, einfach mal besagten Apfel mit rein. Wir waren auch zuerst skeptisch, aber es schmeckt wirklich gut. 

Schön in kleine Würfelchen geschnitten, zusammen mit Zwiebeln, Gemüse und Gewürzen abgebraten (wir geben noch einen kleinen Schuss Balsamico hinzu), bekommt man eine richtig fruchtig-frische Tomatensoße, deren geheime Zutat ihr man nicht im Geringsten anmerkt. So, jetzt haben wir euch aber lange genug mehr oder weniger nützliches Apfelwissen aufgedrängt - zurück zur Ernte... An einem Samstag entschied Richard bereits früher Feierabend zu machen und so wurden kurzerhand, einfach keine neuen Kisten mehr aufgestellt. Da nun jede Reihe von beiden Seiten besetzt wurde, konnte man schon erahnen, früher heimgeschickt zu werden und so gaben wir noch einmal ordentlich Gas, um soviele Bins wie möglich unser Eigen zu nennen. Wir hatten gerade erst den Boden unserer letzten Kiste bedeckt, als plötzlich von allen Seiten die Vanuatu-Gruppe in unsere Reihe krabbelte. Lachend tanzten sie um uns herum, stellten ihre Leitern auf und fingen an unseren Bin zu füllen. Leicht irritiert darüber, wie das denn wohl abgerechnet werden würde, pflückten wir zwischen den herumwuselnden Insulanern weiter. Binnen weniger Minuten war die Kiste auch schon voll. Es stellte sich heraus, dass sie das einfach nur zum Spaß an der Freude taten, denn die Kiste blieb im Besitz der eigentlichen Pflücker, sprich uns.

Erfreut über die nette Geste, schlossen wir uns kurzerhand der lustigen Truppe an und gingen weiter zum nächsten Kollegen, um auch ihm zu einem schnellen Feierabend zu verhelfen. Nach sieben Tagen ging es von übervollen Bäumen, zu ziemlich rar bestückten, mit vielen unschönen Äpfeln. Richard wies daraufhin, dass es ab jetzt nur noch sogenannte „Second pics“ geben wird. Das bedeutete, dass wir nochmals durch bereits gepflückte Reihen gingen und den letzten, nun nachgereiften Rest mitnahmen. Einer der Traktorfahrer hatte mir auf meine Nachfrage hin mitgeteilt, dass es noch ungefähr zwei Wochen dauern würde, bis die Ernte vorbei sei. Vorsichtshalber hakte ich aber lieber nochmals bei Richard nach. "Circa zehn Tage", gab er mir zur Antwort und ordnete an, bis auf die komplett grünen Äpfel, alle mitzunehmen. Alles pflücken hörte sich eigentlich sehr gut an, nur „Alles“, war in diesem Fall ziemlich wenig. Kaum ein Baum hatte noch mehr als zehn Äpfel hängen und dadurch mussten wir lange Fußmärsche zum entleeren des Beutels zurück legen, denn es galt erst einen Bin zu füllen, bevor man den nächsten beginnen konnte. Obendrein war noch eine weitere Einschränkung zu beachten. Durch jede Baumreihe zog sich mittig ein Führungsdraht, der als imaginäre Grenze fungierte. Alles dahinter gehörte dem Nachbarn - so zumindest in der Theorie. In der Praxis, griff jeder einmal nach dem ein oder anderen, verlockenden Apfel auf der verbotenen Seite. Besonders wenn man auf der Leiter, in den Baumwipfeln arbeitete. Getreu dem Motto: "Wenn man schonmal da ist...". Waren ja genug für alle da - bis gerade eben zumindest. Nun hieß es Zahn um Zahn oder besser gesagt Apfel um Apfel. Der Kerl auf der anderen Seite, pflückte langsamer als wir und hatte wohl Angst, dass wir ihm seine Äpfel wegnehmen könnten. Eigentlich war er abgeschlagen hinter uns, doch plötzlich lief er an uns vorbei und fing etliche Bäume weiter vorne an zu pflücken. Soweit so gut, hätte er nicht gleich noch die auf unserer Seite mit in seinen Beutel gesteckt. Aufgrund des akuten Apfelmangels, hielten wir es für fair, nur unsere Seite zu pflücken, aber in diesem Fall bedeutete das Krieg! Da unser erster Bin endlich voll war, startete ich unmittelbar am nächsten, um nicht so weit schleppen zu müssen...und wenn ich schonmal da bin... - „ANNE!!! We´re not picking on the other side, do we?“, hörte ich Richards raue Stimme ermahnen. War ja klar!!! Meine Mission war zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Nicht einen Apfel konnte ich erhaschen! Glücklicherweise ließ nun auch der Nachbar von weiteren Taten ab. Nichtsdestotrotz dauerte immer länger bis wir eine Kiste voll hatten und wir fragten uns, ob sich das Ganze die kommenden Tage überhaupt noch lohnen würde. Bei so wenig Äpfeln, werden wir Probleme haben, überhaupt noch den Mindestlohn zu erreichen. Das war womöglich auch der Grund, warum die Vanuatu-Truppe nicht mehr anzutreffen war. Während der verzweifelten Suche nach den letzten, brauchbaren Äpfeln, fassten wir den Entschluss, dass das auch für uns hier die letzten Stunden sein sollten und wir Richard mitteilen würden, dass wir aufhören. Ich hatte ihm gegenüber bereits erwähnt, dass wir uns in diversen Packhäusern beworben haben und so würden wir, auch wenn eine Zusage noch ausstand, uns einer kleine Notlüge diesbezüglich bedienen. Unser Rücken machte angesichts des Entschlusses jetzt schon Freudensprünge. 

Am Ende des Tages, durften wir die noch übrigen Bäume der anderen abernten, welche schon Feierabend gemacht hatten oder aber dasselbe gesagt bekamen, was Richard nun auch uns mitteilte: „Danke für eure Hilfe, das war’s dann für dieses Jahr!“  ??? - Hieß es vorhin nicht noch etwas von zehn weiteren Tagen? Sind wir unbemerkt in die Zukunft gereist oder gilt Richards Vorstellung einer detaillierten Wegbeschreibung etwa auch für seine Zeitangaben? Was auch immer! Wir hatten ohnehin damit abgeschlossen und so hatte er uns auch noch das Flunkern erspart. Nur schade, dass wir uns von den netten Kollegen aus Vanuatu nicht mehr verabschieden konnten. Es wäre schön gewesen, in Kontakt zu bleiben. Vielleicht werden wir auf dem Weg zurück nach Deutschland, noch einen Abstecher dorthin machen...

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