Gleich am zweiten Tag nachdem wir Goldie übernommen hatten, machten wir mit den Rangern Fremantles Bekanntschaft. Das sind Ordnungshüter welche in der Stadt patroullieren und unter anderem dafür sorgen dass die „no camping“ - Schilder auch eingehalten werden. Wie wir feststellen mussten galt es auch schon als Camping, wenn man ein Auto ausräumte um es auszuputzen. Wir wurden freundlich darauf hingewiesen dass es hier verboten sei, doch statt einer Strafe nannte man uns einen Ort an dem wir ungestört tun und lassen konnten was wir wollten. So landeten wir in North Fremantle, welches für die nächsten zwei Monate unser Zuhause war. Schöner hätte es kaum sein können: direkt am Strand mit Blick auf das Meer. Außer ein paar nächtlichen Anglern war niemand weit und breit. Viele Abende lagen wir einfach bei offener Heckklappe da und lauschten dem Rauschen des Meeres, während wir langsam einschliefen. Traumhaft! Fast jeden morgen ging ich mit den ersten Sonnenstrahlen eine Runde joggen und nachdem ich Jan geweckt hatte, wurde noch eine Runde im Meer geschwommen, bevor wir uns in den kostenlosen Duschen für den Tag frisch machten.
Dabei machte Jan Bekanntschaft mit den Polarbären. Nicht das was ihr jetzt denkt, auch wenn einige von ihnen, zumindest was die Behaarung betrifft, als solche hätten durchgehen können. Es war eine Gruppe älterer Herren die sich jeden Morgen gegen 06:00 Uhr trafen, um im Meer schwimmen zu gehen. Das taten sie bereits seit vielen Jahren und egal wie ungemütlich das Wetter war, sie waren immer da um ihre Runde zu schwimmen. Nach dem Duschen trafen sie sich zu einem Schwätzchen auf dem Parkplatz, das stets mit einem Schluck Portwein zelebriert wurde. Während ich allmorgentlich laufen ging, traf Jan sich nun mit „seinen Jungs“, wie er sie liebevoll nannte. Jeden Tag berichtete er mir von neuen lustigen Geschichten die sie vom Stapel ließen. Manchmal gaben ihm die Jungs "Wegzehrung" in Form von Trauben, Wassermelone, Schokolade oder einer Flasche Kahùla mit. Wir revangierten uns im Gegenzug mit Süßspeißen und der ein oder anderen Flasche Wein. Als unsere Probleme mit dem Autos anfingen, standen sie uns auch mit Rat zur Seite, lachten Jan jedoch jedes Mal von neuem aus, wenn dieser am nächsten morgen wieder auf den Parkplatz gefahren kam, obwohl er sich eigentlich am Tag zuvor, "endgültig" von ihnen verabschiedet hatte.
Dem lag zugrunde, dass wir jeden Tag aufs Neue vertröstet wurden, weil irgendwelche Ersatzteile falsch geliefert oder ein neues Problem auftrat, mit dem wir zu einem anderen Spezialisten geschickt wurden, da der Vorgänger dieses nicht lösen konnte. Neben dem ganzen Autogedöns haben wir allerdings auch viele andere, schöne Dinge erlebt und unternommen. Wir haben uns Perth angeschaut und dessen Botanischen Garten besucht. Perth ist eine typische Großstadt mit riesigem Bankenvierteln und Einkaufsmalls. Es war zwar ganz nett durch die Straßen zu schlendern, besonders zur Weihnachtszeit, wenn Abends die ganzen Beleuchtungen angingen, doch uns hatte es eher Fremantle angetan, wo wir auch die meiste Zeit verbrachten. Fremantle wird auch als die Stadt der Künstler betitelt und ist mit ca. 65.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Westaustraliens. Offiziell ist es eigentlich Bunbury, da Fremantle als Vorort von Perth gilt, allerdings weigert sich diese als solcher betitelt zu werden. Viele Artisten, Musiker und Selbstdarsteller zeigen täglich in den Straßen ihr Können. Selbstverständlich gibt es das auch in Perth, aber durch die engeren Straßen und die vielen, kleinen Cafes welche die Flaniermeile zieren, hat es weitaus mehr Flair. Mit ihrem ausgefallenen Look hatten es uns besonders zwei Cafes angetan. Das eine hieß Fidel. Es lag in der Innenstadt und war in zwei schnuckelige Zimmer, sowie einen kleinen Hinterhof unterteilt. Neben den Bildern verschiedener Fotografen, zierte ein großer Spiegel mit goldenem Rahmen die roten Wände. Man fühlte sich richtig heimelig, wenn man in einem der uralten Ohrensessel Platz nahm und seinen Kaffee von dem kleinem Beistelltisch aus genoss. Das andere hieß Ootong & Lincoln und lag etwas außerhalb, was aber nichts an dem Besucheransturm änderte. Es war ein großer Raum, der mit allerlei antiken Dreirädern und einzigartigen Möbelstücken dekoriert war.
Am hinteren Ende gab es eine kleine Theke, in der allerhand Köstlichkeiten absolut verführerisch angepriesen wurden. Die Preise waren im Vergleich mit den umliegenden Cafès etwas gehobener, doch da man hier in der Menge nicht so auffiel wenn man den halben Tag nur an einem Kaffee schlürfte, um das kostenlose Wifi zu nutzen, waren auch wir des öfteren zu Besuch. Ab und an gönnten wir uns eines der eigentlich überteuerten, aber leckeren Kuchenstücke und schrieben unsere Emails, während wir der Jazzmusik der Liveband lauschten. Manchmal gesellte sich auch eine der Kellnerinnen spontan zu der Band, ergriff das Mikrofon und swingte eine Runde mit. Jede Woche von Freitag bis Sonntag öffneten die Fremantle Markets ihre Tore. In der großen Markthalle gab es tonnenweise Souvenirs, CDs, Textilien, Schmuck und anderen Krimskrams zu kaufen. Im hinteren Teil befand sich die Lebensmittelabteilung, in der frisches Obst und Gemüse, Käse, Wurst, Fisch und allerlei Backwaren angeboten wurden, sowie einige Snackstände mit Spezialitäten aus aller Herren Ländern. Jeden Sonntag kurz vor Marktende wurde alles, was bis zur nächsten Woche nicht mehr haltbar war, zu Spottpreisen verschleudert. Um die Aufmerksamkeit der Käufer zu wecken wurde gerufen was das Zeug hielt. Die Shopbesitzer, meist Asiaten gaben ihr Bestes: „Dollar, Dollar, Dollar - Cheap, Cheap!“ Selbstverständlich waren auch wir jede Woche anwesend um uns mit frischen Zutaten für die kommende Woche einzudecken. Meist erbeuteten wir eine Kiste für fünf Dollar, die bis oben hin mit Obst und Gemüse vollbepackt war, für das wir im Supermarkt locker das sechsfache bezahlt hätten.
Des weiteren lernten wir dort „Mr. Columbo“ kennen, ein Singhalese der allerlei Köstlichkeiten aus Sri Lanka anzubieten hatte. Er verkaufte unheimlich leckere Curry Pies, die er am Abend zu reduzierten Preisen anbot. Auch wir gönnten uns ab und an einen. Wenn ich es mir recht überlege sind wir nie ohne etwas von seinem Stand weggekommen, denn selbst wenn wir nichts kauften gab er uns, nach unserem wöchentlichen Smalltalk, immer etwas mit auf den Weg. Von Samosas, über Mango Lassi, bis hin zu einem kompletten Curry Gericht war alles dabei. Auch an den Backständen wurde allerlei Gebäck zum halben Preis verschleudert, so dass ich Krümelmonster natürlich nicht wiederstehen konnte, alles einmal auszuprobieren. Und wenn Jan ganz brav war, bekam auch er ein Stückchen ab! Nein, selbstverständlich teilten wir es gerecht untereinander auf. Damit das ganze nicht zu sehr ansetzte, versuchten wir jeden Tag mindestens einmal eine Runde im Meer zu schwimmen. Ich joggte zwar noch zusätzlich, doch bei dem Kalorieninput richtete das nicht allzu viel aus. Auch kamen wir auf den Geschmack von Fish & Chips, die man hier an jeder Ecke kaufen kann. Als wir unsere erste Bestellung aufgaben, begutachteten wir mit Skepsis die Angestellte, die neben dem üblichen Salz auch noch Essig über unsere knusprigen Chips (Pommes) schüttete. Doch es schmeckte widererwartend gar nicht mal so schlecht und so mussten wir irgendwann feststellen, dass nicht alleine der Trockner schuld daran war dass die Kleidung spannte. Geschockt versuchten wir einen Schlussstrich unter die Schlemmereien zu ziehen, was allerdings gar nicht so einfach war, wenn die örtlichen Supermärkte wöchentlich mit neuen einmaligen Angeboten von Dingen lockten, welche wir noch nicht ausprobiert hatten. Zugegeben das meiste schmeckte mittelmäßig bis schlecht, doch die verführerischen Verpackungen lockten uns mit unglaublichen Geschmackserlebnissen. In der Zwischenzeit wissen wir aber dass es in Australien keine Schokolade gibt, die unserer heimischen das Wasser reichen kann. Auch in Sachen Backwaren vergeht einem der Appetit bereits nach dem ersten Bissen! Alles lätschiges Weissbrot. Was hier als knusprig angeboten wird, würde bei uns aus den Regalen genommen werden. Keine Kruste, kein knuspriger Rand, nada! Dafür aber ordentlich Zucker und Öl. Die Brötchen erinnern an Knetmasse und es erfordert sehr viel Geschick sie zu verspeisen, ohne dass sie gleich in alle Einzelteile zerfallen. Vorausgesetzt natürlich, man hat sie sich nicht bereits in der Einkaufstasche auf Briefkastenschlitzformat platt gedrückt. Natürlich mag es vereinzelt auch kleine Bäckereien geben, die einem tatsächlich einen Hauch Heimat verkaufen können, diesen sind wir bisher jedoch leider noch nicht begegnet.
Das fertig abgepackte Vollkornbrot können wir hier leider auch abhaken, es sei denn man ist gewillt sieben bis acht Dollar für fünf mikrige Scheiben zu bezahlen. Wir sind es jedenfalls nicht! Mit dem Vorsatz uns zukünftig etwas gesünder zu ernähren, fingen wir irgendwann an die Zutatenlisten zu studieren und verstanden Augenblicklich warum Australien neben Amerika, die Liste mit der dicksten Bevölkerung anführt. Überall ist Zucker drin und das nicht zu knapp! Selbst harmlosem, tiefgefrohrenen Gemüse wird er absurder Weise hinzugefügt. Nur selten findet man Lebensmittel, an denen Zucker nicht gleich an zweiter Stelle steht. Aber ist das in Deutschland wirklich anders? Auch gibt es hier seltsame Dinge wie Coca Cola mit Vanilleeis - Da kann man ja gleich ein Stück Butter verspeisen. Wir jedenfalls machten uns daran, unsere alten Essgewohnheiten wieder aufzunehmen und soviele frische Zutaten wie möglich zu verwenden. Was allerdings nicht nur die Tallie, sondern vor allem den Geldbeutel schmälert. Stellt euch vor, ihr würdet euch einen bunten Salat machen wollen. Eisbergsalat $4, frische Champignons $18/Kg, Tomaten $12/Kg, Gurke $4, Paprika $17/Kg, Feta $10 - Zu teuer? Ok, versuchen wir es mit einem Obstsalat: Äpfel und Birnen 7$/Kg, Trauben 16$/Kg, Bananen 5$/kg, Erdbeeren 5$ pro 250gr Schale. Darauf braucht ihr erst einmal einen Drink? Lieber nicht, denn eine Flasche Bier kostet hier stolze 3$ aufwärts, es sei denn ihr bevorzugt ein frisch gezapftes, dann darf man locker mit 9$ pro Pint rechnen, von den Spirituosen ganz zu schweigen.
Wer jetzt ans Frustessen denkt, der übt sich in Zurückhaltung bei EINER Kugel Eis oder EINER Tafel Schokolade für jeweils vier bis fünf Dollar. Wer nun erwartet zu den Preisen Topprudukte gekauft zu haben, der irrt gewaltig, denn das sind lediglich die "Kampfpreise" der zwei großen Supermarktketten. Wer qualitativ hochwertigere Produkte kaufen möchte, darf gerne noch ein paar Dollar obendrauf legen. Wie ihr seht, ist es eigentlich egal um was es sich handelt, es ist und bleibt durchweg teuer! Australien ist ungefähr mit der Schweiz zu vergleichen, teilweise sogar noch teurer. Wir sind jedes Mal entsetzt, wenn sich die Australier mit einer Selbstverständlichkeit Dinge zu Preisen kaufen, bei denen uns die Tränen kommen. Wenn man das allerdings in Relation mit den Löhnen sieht, ist es wieder angemessen und so bleibt uns nichts anderes übrig als auf gewisse Dinge zu verzichten und die Läden nach Sonderangeboten abzuklappern. Was uns jedoch Spaß macht, da es der Suche nach einem verborgenen Schatz gleicht und wir uns jedes mal freuen wie die Schneekönige, wenn wir erfolgreich ein Schnäppchen erbeutet haben. Was unsere „Übergangskleidung“ und die Einrichtung des Vans betraf, sind wir in den zahlreichen OP-Shops fündig geworden. Sie sind fast in jeder noch so kleinen Stadt zu finden und werden überwiegend von herzallerliebsten Rentnern, ehrenamtlich geführt. Dort gibt es allerhand nützliche und unnützliche Dinge die man meist für wenig Geld erstehen kann. Es ist also eine Art Flohmarkt im Shopformat, in dem es neben nagelneuer Dinge, Unikate noch und nöcher gibt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass seit unserer Ankunft in Australien „Salvos“, „Vinnies“ & Co. zu meiner großen Leidenschaft geworden sind. Nirgendwo kann man bessere Schnäppchen machen und bei jedem Besuch erwartet einem eine neue Überraschung. Zu Jans Leidwesen (manchmal jedenfalls), stöbere ich ab und an auch gerne mal etwas länger, weshalb ich an dieser Stellte ein riesen Lob mit einen dicken Schmatzer für seine Geduld aussprechen möchte.
Sehr überrascht waren wir von der allgemeinen Freundlichkeit, die einem hier vielerorts entgegen gebracht wird. Sei es nun an der Supermarktkasse oder in der Bücherei. Sätze wie „How are you mate?“ (wie geht´s dir Kumpel) oder „How's your day“ (Wie war dein Tag) bekommt man hier ständig zu hören. Daran mussten wir uns erst einmal gewöhnen, denn von wildfremden Personen nach seinem Befinden gefragt zu werden war anfangs ziemlich irrtierend. Aber wir lieben diese offene Art, denn auch wenn es meist nur aufgesetzte Floskeln sind, hebt es die allgemeine Stimmung ungemein und sorgt für ein Lächeln auf den Lippen aller Beteiligten. So bedankt man sich nach der Fahrt beim Busfahrer, frägt die Bankangestellte nach ihrem Befinden und wünscht wildfremden Menschen auf der Straße einen schönen Tag. Einfach grandios! Das Jahr näherte sich dem Ende zu und auch hier stand Weihnachten vor der Tür. In allen Läden wurde Weihnachtsmusik gedudelt, wobei wir sagen müssen dass es noch richtig schöne Musik war. Typisch Amerikanisch eben, also kein „Klingglöckchen“ oder „Oh Tannenbaum“, sondern „Rudolf the red-nosed Raindeer“, „White Christmas“, „Rocking around the christmas tree" und ähnliche Klassiker. In der großen Einkaufsmall saß ein aufwändig verkleideter Weihnachtsmann auf einem großen vergoldeten Stuhl und wünschte einem "a wonderful Christmas!".
Ein Kinderchor, verkleidet als lauter Engelchen, sang dazu Weihnachtslieder und winkte einem freudig zu. Die Kleinkinder, denen die Illusion des Weihnachtsmannes noch nicht genommen wurde, durften auf seinen Schoß sitzen und ihm ihre Wünsche mitteilen. Uns gefiel besonders die Liebe zum Detail und dass die Kleinen wirklich nur dorthin gingen, um mit dem Weihnachtsmann zu sprechen, ohne das es Süßigkeiten oder sonst etwas für sie gab. Jeder Shop hatte mindestens eine Ausführung dieser hübsch-hässlichen Plastiktannenbäume, welche weggingen wie warme Semmeln. Was allerdings verständlich war, denn richtige Bäume waren rar und dementsprechend teuer. Jedoch erinnerten sie einem nur andeutungsweise an den Tannenbaum wie wir ihn kennen. Sie kamen etwas arg blass daher, hatten ziemlich lange Nadeln und sahen fast unnatürlicher aus, wie ihre Kunststoffbrüder. Lustig fanden wir auch, dass man sich hier für nichts zu schade ist. Egal ob jung oder alt, jeder Zweite lief mit Nikolausmütze, Tannenbaum-Ohrringen, Lichterketten-Kette oder einem Rentiergeweih auf dem Kopf herum. Wir entschieden uns für die dezente Variante des roten Mützchens, obwohl wir mit dem nötigen Kleingeld auch gerne einer dieser riesigen, mit Lametta und Weihnachtskugeln verzierten Tannenbaummützen aufgesetzt hätten. Neben zig Möglichkeiten sich selbst zu dekorieren, gab es auch allerhand Accessoires für das Auto. Oft vertreten war hier die Rudolph-Variante mit dem Geweih auf dem Dach und roter Bommelnase am Kühlergrill. Trotz der Mühe die sich die Australier gaben, ließen die warmen Temperaturen samt Strand und Meer, nur schwer Weihnachtsstimmung aufkommen. Es war irgendwie ein komisches Gefühl, die Festtage so weit weg von der Familie zu verbringen. Zumindest körperlich, denn in Gedanken sind wir jeden Tag ganz nah bei unseren Liebsten! Wir versuchten das Beste daraus zu machen, schmückten Bruce festlich und machten uns auf die Suche nach einem Stückchen Heimat, welche wir auch tatsächlich in Form von original Matterhorn Fondue fanden. Satte $29,95 sollte man für eine Packung berappen. Das war uns das Heimatsgefühl dann doch nicht wert und wir beschlossen das Geld lieber in einen Restaurantbesuch zu investieren. So zelebrierten wir Heiligabend und Jans Geburtstag in einem netten kleinen Restaurant am Pier von Fremantle. Zu unserer Freude hatte der Supermarkt das Fondue am nächsten Tag, kurz vor Ladenschluss, noch auf bezahlbare sieben Dollar herunter gesetzt, so dass wir den zweiten Weihnachtsfeiertag bei „Fondue on the Beach“ verbringen konnten.
Grinsend und voller Vorfreude machten wir uns ans Werk den portablen Gaskocher aufzubauen. Aufgrund der Absurdität des Ganzen, mussten wir immer wieder dem Kopf schütteln. In unseren kühnsten Träumen hätten wir nicht damit gerechnet, an Weihnachten, bei angenehmen 25 Grad, gemütlich am Strand zu sitzen und genüsslich Käsefondue von der Gabel zu picken. Als Rechaud musste einer unserer Kochtöpfe herhalten, den wir danach allerdings getrost entsorgen konnten, weil sich mindestens die Hälfte des Fondues am Topfboden festgebrannt hatte. Das war es aber in jedem Fall allemal Wert! Weil Goldie immer noch auf den richtigen Besitzer wartete, verbrachten wir auch Sylvester in Fremantle. Anders als in Deutschland, kann man hier keinerlei Feuerwerkskörper oder ähnliches kaufen, da die Gefahr damit einen Großbrand auszulösen einfach zu hoch ist.
Deshalb wollten wir zuerst nach Perth fahren, weil wir vermuteten, dass dort sicherlich ein großes Feuerwerk steigen wird. Auf unser Nachfragen bei der Touriinfo bekamen wir jedoch kopfschüttelnd die ernüchternde Antwort dass es keines gäbe. Am Nationalfeiertag sähe die Sache ganz anders aus, denn da könnte man in jeder noch so kleinen Stadt eines sehen. Ähm ja und was ist mit Sylvester?! Man gab uns den Tipp, dass es in North Fremantle eine Bar am Flussufer gibt, die eine große Party veranstaltet bei der es zum Schluss wohl auch ein kleines Feuerwerk geben soll. Also saßen wir kurz vor zwölf, nebst ein paar anderen, mit der Picknickdecke am Flussufer und warteten auf den Jahreswechsel. Das Feuerwerk war der Brüller! Kaum drei Minuten lang wurden goldene „Spratzelraketen“ eiernd in die Luft geschossen und zum Finale gab es sogar eine grün-rote mit lautem Knall am Schluss. Die Australier waren begeistert und wir konnten uns vor Lachen kaum noch halten. Wir schlürften unseren Sekt zu ende und machten uns, wie auch die ganzen Gäste aus der Bar wieder auf den Heimweg. Hier in OZ ist nämlich, bis auf ein paar Ausnahmen in den Großstädten, bereits um 01:30 Uhr Zapfenstreich. Da wird auch an Sylvester keine Ausnahme gemacht - die Musik wurde ausgestellt und das Licht ging an. Viele waren zu Fuß da und so waren die Taxis knapp, welche die Massen nun nach Hause bringen sollten. Einige fragten uns ob wir sie nach Perth fahren könnten und wir bekamen Summen geboten bei denen es uns echt schwer fiel abzulehnen. Doch bei den ganzen Polizeikontrollen wollten wir nicht unbedingt mit sechs Personen, in einem Van der nur für drei zugelassen ist erwischt werden. Den 31 Millionen Dollar Neujahrs-Jackpot haben wir trotz sorgfältig ausgewählter Zahlen leider nicht gewonnen, doch im Park von Fremantle wartete ein kleines Trostpflaster auf uns. Wir schlenderten gerade über eine Wiese, als vor uns im Gras plötzlich eine Tüte mit dem uns bekannten, schwarz-weiss gestreiften Logo eines Shops der Fremantle Markets lag. Das wird doch wohl nicht...wir hoben sie auf und tatsächlich - in ihr befand sich eine ungeöffnete Packung dieser unheimlich leckeren, karamellisierten Macadamianüsse des Morish Nutshops. Jedes Mal sind wir um den Stand getigert, hatten aber schlussendlich doch nichts gekauft da es schlichtweg zu teuer war. Und nun? Wäre ja schade, sie einfach so wegzuwerfen und zur Polizei wegen einer Packung verlorener Nüsse zu gehen, schien uns dann doch etwas übertrieben. Wir beschlossen deshalb, sie auf naturschonende Weise, in unseren Mündern zu entsorgen. Das sollte allerdings nicht der letzte Fund gewesen sein.
Tagsdrauf stieß ich auf meiner Laufstrecke auf etwas, dass allerdings eher in die Rubrik „Kurios & Sonderbar“ gehört. Ich joggte an zwei Mülltonnen vorbei und sah aus dem Augenwinkel einen Haufen mit Sportschuhen. Ich bin zwar schnell daran vorbei gerannt, doch die Schuhe sahen mir sehr neu aus. Schnell machte ich mich auf den Rückweg zu Jan und wir fuhren gemeinsam mit Bruce zu der Stelle zurück, um einen näheren Blick zu riskieren. Wir trauten unseren Augen kaum. Neben der Mülltonne lag ein ganzer Haufen mit nagelneuen Sneakers und Sportschuhen und in der Tonne selbst waren noch mehr. Wir wollten ja nicht wissen von welchem Laster die gefallen waren, doch wir machten uns gleich drüber her. Leider mussten wir nach kurzer Zeit feststellen dass es immer nur der linke oder der rechte Schuh eines Modells war. Ein einbeiniger Dieb?? Ein Paar, zufällig genau meine Größe, haben wir dann doch noch gefunden.
Nach kurzer Überlegung haben wir auch noch die restlichen Schuhe in unseren Größen mitgenommen, in der Hoffnung man wirft in den nächsten Tagen vielleicht auch noch die fehlende Seite weg. Ja wir wissen, eigentlich total bescheuert! Aber wir dachten bevor wir uns ärgern, wenn morgen tatsächlich die Anderen daliegen sollten, nehmen wir sie einfach mal mit. Also fuhren wir die nächsten Tage mit acht Paar linken Schuhen durch die Gegend und hofften auf das Unmögliche. Derweil fragten wir uns: Wer macht sowas und vor allem wieso, weshalb, warum? Uns fiel keine plausible Erklärung ein. Am Abend sind wir nochmals vorbei gefahren, in der Hoffnung auf die andere Hälfte zu treffen, doch nun war auch der Rest der Schuhe weg. Seltsamerweise war aber der restliche Müll noch da. Entweder hatte da jemand den selben kranken Gedanken wie wir, oder aber er arbeitet in der Amputationsabteilung des örtlichen Krankenhauses, die aufgrund der vermehrten Haiangriffe der letzten Wochen, alle Hände (bzw. Beine) voll zu tun hatte. Aus welchen Gründen auch immer, vergreifen sich nämlich seit neustem an der Westküste vermehrt weisse Haie an Schwimmern. Das war auch der Grund weshalb hier ständig zwei Überwachungshelicopter die Küste abflogen und nach "white Pointers" nahe den Stränden Ausschau hielten. Wir nannten sie scherzhaft „Hai-likopter“, waren aber froh über ihre Anwesenheit, denn so fühlte man sich doch etwas sicherer wenn man sich im Meer abkühlen wollte. Allerdings wird einem gleich anders, wenn einer der rot-gelben Hubschrauber plötzlich wenige Meter von einem entfernt, anfängt in der Luft zu kreisen. Da macht man am besten, dass man im wahrsten Sinne des Wortes Land gewinnt. An einem Morgen, wir kamen gerade vom duschen, wunderten wir uns über den Tumult am Strand. Am Parkplatz liefen alle die Dünen herauf und starrten gebannt auf das Meer. Ein Auto der Rettungsschwimmer fuhr den Strand entlang und durch den Lautsprecher wurden alle Schwimmer aufgefordert das Wasser zu verlassen und mitgeteilt, dass der Strand bis auf weiteres gesperrt sei. Auch wir suchten die Wasseroberfläche unterhalb der Helikopter ab und konnten zwei große, dunkle Schatten im Wasser erkennen. Da wir einen Werkstatttermin hatten, verließen wir kurze Zeit später das Geschehen und machten uns auf den Weg. Im Radio kam dann die Durchsage, dass sich zwischen Scarborrow und Fremantle ein Walhai in Strandnähe bewegen würde. Das kuriose an der Sache war, dass diese normalerweise nicht in dieser Region anzutreffen sind und schon gar nicht so nahe am Strand. Der Walhai an sich ist harmlos für den Menschen, doch die zwei 4-5 Meter großen, weißen Haie die er im Schlepptau hatte, sorgten für die Sperrung der Stände. Wir würden ja schon gerne einmal beide Arten aus der Nähe sehen, die mit dem Zahnpastalächeln allerdings, dann doch lieber sicher verstaut hinter einem Hai-Käfig.
Der komplette Vergaser muss rausgenommen und zerlegt werden. Weil das an einem Tag nicht umsetzbar war, blieb uns nichts anderes übrig, als uns eine Unterkunft zu suchen. Kurz nach Neujahr waren natürlich alle Ehrlich gesagt habe ich mehr Bammel vor den blöden Quallen, wie vor den Haien. Mit ersteren habe ich bereits Bekanntschaft gemacht und kann euch sagen, auch wenn sie harmlos sind, brennt es dennoch ganz schön. Dann doch lieber Hai - seine bloße Anwesenheit führt noch nicht zu Verletzungen und wenn doch, dann brennt ohnehin nichts mehr. In der Werkstatt angekommen, bekamen wir nach einer zweistündigen Voruntersuchung die Hiobsbotschaft, dass Bruce über Nacht bleiben muss.Hostels ausgebucht und auch über Couchsurfing fand sich so kurzfristig kein Platz mehr. In einem Hostel waren zwar noch zwei Betten frei, doch die waren genau in dem Zimmer, mit dem wir kurz nach unserer Ankunft bereits Bekanntschaft gemacht hatten und da wollten wir wahrhaftig nicht mehr rein. Nicht mal mehr für eine Nacht! Neben dem vor Dreck stehenden Teppichboden und den extrem durchgelegenen Matratzen (Modell Hängematte), bewohnte das Zimmer ein ziemlich verwahrloster Obdachloser. Dementsprechend miefte es extrem und der Geruch von Bier saß hartnäckig in den Textilien. Aufgrund dessen beschlossen wir, uns für die eine Nacht etwas zu gönnen und buchten via HRS in ein Hotel in Perth ein.
Ein großes, bequemes Bett erwartete uns und sorgte dafür, dass wir glatt die Checkout-Time verschliefen. Reumütig schlichen wir an die Rezeption um uns zu entschuldigen, doch man entgegnete uns nur den typisch australischen Satz: "No worries!" (kein Problem/ keine Sorge). Ein weiterer Punkt den wir lieben! Wo in anderen Ländern ein riesiger Aufstand gemacht wird, heißt es in OZ meist nur „No worries“! Ohne eine zweite Nacht bezahlen zu müssen, machten wir uns auf Bruce abzuholen. So langsam keimte endlich die erste Aufbruchstimmung in uns auf, denn am kommenden Wochenende sollte es endlich losgehen. Den letzten Abend verbrachten wir bei einem Dinner mit Ernest und seinem Partner. Die beiden sind vor kurzem aus Südafrika hier her gezogen, da Robert einen lukrativen Job als Ingenieur in Perth angenommen hatte. Ernest praktiziert Hypnosetherapie und trainiert mehrmals die Woche mit seinem Personal Trainer am Strand, wo wir uns dann auch kennen gelernt hatten. Es war ein richtig netter Abend, obwohl wir gestehen müssen, dass sich beim Essen der dicken Würstchen und dem grob geschnittenen Gemüse, die ein oder andere Assoziation nicht verdrängen ließ. Am Morgen der Abreise stießen wir noch ein letztes Mal mit Jans Jungs an, bevor wir Fremantle diesmal wirklich endgültig Lebewohl sagten.
Kommentar schreiben