What doesn't kill you, makes you stronger...

Da wir nun wussten dass es unmöglich ist, ohne „Verbindungen“ irgendwo reinzukommen, beschlossen wir die weitere Suche sein zu lassen und uns noch ein schönes Wochenende zu machen, bevor es kommenden Montag mit Arbeiten losging. Wir sind wieder Richtung Manjimup, zum Diamond Tree Lookout gefahren. Dort befindet sich ein ca. 55m hoher Baum, der früher dafür genutzt wurde um Buschfeuer schneller ausfindig machen zu können. In ihn wurden Stahlstangen befestigt, so dass man bis in den Wipfel, in ein kleines Überwachungshäuschen klettern kann. 

Diese zu groß geratenen Stecknadeln sollten uns also den Weg nach oben ebnen - ohne Netz und doppelten Boden! Etwas mulmig war mir dabei schon, ich beschloss aber es zumindest bis zur Zwischenplattform zu schaffen. Stange für Stange kraxelte ich nach oben. Dort angekommen warnte ein Schild, nach dem Motto "bis hier hin war es ein Kinderspiel", vor dem weiteren Aufstieg. Da ich nun schon so weit gekommen war, gab ich mir einen Ruck und beschloss jetzt auch noch den Rest durchzuziehen. Nun ging es fast senkrecht nach oben. Jan stand unten und rief mir Mut zu. GESCHAFTT!! Oben angekommen hatte man über die Baumwipfel hinweg einen 360° Ausblick auf die Landschaft. Jan, ganz der Mann, hatte mit dem Aufstieg keinerlei Probleme. Sein Vorankommen war eher aufgrund des großen Fotorucksacks beschwerlich, welchen er trotz Hinweisschild mitgenommen hatte. Schließlich kam aber auch er oben an und wir genossen zusammen die wunderbare Aussicht. Der Abstieg gestaltete sich schwieriger als der Aufstieg, da man ständig darauf achten musste nicht neben die Sprossen zu treten. Schritt für Schritt ging es, gaanz langsam wieder abwärts. Nach knapp 20 Minuten hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen. Habt ihr eigentlich Jan auf dem oberen Bild entdeckt? Wir beschlossen die Nacht am Lookout zu verbringen und machten uns am nächsten Tag über Northcliff auf nach Windy Harbour, das seinem Namen alle Ehre machte.

Es wehte ein eisiger Wind und es war, im Gegensatz zu den verganenen Wochen, das erste Mal ziemlich kalt und ungemütlich. Das hielt uns allerdings nicht davon ab, ein paar kleine Bushwalks zu unternehmen und ein letztes Mal in der Wildnis zu campen, bevor es am nächsten Morgen in das Mafia-Hostel ging. Unser Schlafplatz war abermals der Diamond Tree Lookout. Gerade als wir kurz vor dem einschlafen waren, wurden wir durch knackende Äste wieder aufgeschreckt. Irgendetwas lief auf unser Auto zu. Wir konnten die Schritte im Laub hören, die immer näher kamen. Jan packte sofort sein Messer aus und wollte die Türe aufmachen um nach dem Rechten zu sehen. Ich hielt ihn jedoch davon ab, denn ich hatte etwas Bammel dass dort vieleicht jemand nur darauf wartete ihn zu überwältigen. Also beschlossen wir lieber die Flucht nach vorne anzutreten und bereits heute Nacht noch nach Pemberton zu fahren und zur Not direkt vordem Hostel zu schlafen. Sicher ist sicher! Jan kletterte über unseren Kram vor ins Fahrerhaus, startete schnell den Motor, was zum Glück auch auf Anhieb klappte, und machte die Scheinwerfer an - Nichts war zu sehen.

Deshalb ließ er es sich nicht nehmen, noch eine Extrarunde über den Parkplatz zu drehen und ich hätte dabei schwören können dass jemand hinter einem Baum hevorschaute. Mittlerweile sind wir uns aber ziemlich sicher, dass es wohl nur ein neugieriges Känguru gewesen ist und wir in der Ungewissenheit vieleicht ein klein wenig überreagiert haben. Am Straßenrand vor dem Hostel fielen wir müde ins Bett, wurden jedoch um zwei Uhr morgens abermals von Lärm geweckt. Wir schoben die Vorhänge ein Stück zur Seite und sahen im Licht der Straßenlaterne, wie zwei Gestalten auf der anderen Seite mit Sack und Pack aus einem der Hostelfenster stiegen, alles in einem Auto verstauten und wenig später davon brausten... Na das kann ja noch heiter werden!

Am nächsten Morgen checkten wir in das Hostel ein und bekamen neben dem Cottage, noch die Option eines Doppelzimmers abgeboten, das überraschend frei geworden war. Na ob das wohl das Zimmer der Zwei war, die gestern in der Nacht und Nebelaktion aus dem Hostel getürmt sind? Egal, ein Zimmer für uns alleine und dann noch für zwei Dollar weniger pro Tag - da sagen wir nicht nein! Was sich als weise Entscheidung herausstellte, denn in den Cottages wohnte eine Gruppe Esten, die allnächtlich Trinkgelage veranstalteten und alles andere als friedfertig waren. Wir bezogen unser sieben Quadratmeter Reich und starteten eine kleine Erkundungstour durch die neue Unterkunft. Der erste Eindruck? Naja, wie es halt aussieht wenn eine Horde Jugendlicher auf einem Haufen wohnt, denen die Worte Ordnung und Sauberkeit absolut fremd sind. In der Gemeinschaftsküche wurde gekocht was das Zeug hielt, selbstverständlich ohne danach die Hinterlassenschaften in Form von Essensresten oder Geschirr zu entfernen. Die vor Dreck stehenden Töpfe, Teller und Pfannen stapelten sich bis unter die Decke am Spülbecken, dessen Abfluss dank der Essensreste nicht einmal mehr einen Stöpsel bräuchte, falls jemand sich widererwarten doch zu einem Abwasch entscheiden sollte.

Ameisen bedienten sich an den liegengelassenen Lebensmitteln und den Überresten im Backofen. Bei dem zahlreichen Nahrungsangebot formten sich deren Straßen schnell zu vierspurigen Autobahnen, mit einem Verkehrsaufgebot wie zur Rushhour. Neben zahlreichen Insektenleichen, überzog ein zentimeterdickes Fett-Staubgemisch die Fensterbank und in den Kühlschränken schimmelten allerhand undefinierbare Inhalte diverser Schüsseln vor sich hin. Im Zimmer erwartete uns eine vergilbte, durchgelegne Matratze, die dank diverser Löcher und einigen spitz abstehenden Federn für echtes Fakirfeeling sorgte. Das Abwasser der Duschen tropfte ungehalten durch den Boden und in den Kabinen selbst kroch der Schimmel bereits wieder durch die frisch überstrichenen Wände. 

Uns war schon nach wenigen Minuten klar, dass wir hier nicht lange bleiben wollten. Deshalb hieß es so schnell wie möglich Fuß zu fassen, um vielleicht schon bald Troys Regiment umgehen zu können. Am 06. Februar, um sechs Uhr morgens fiel der Startschuss unseres ersten Arbeitstages. Nach einem kurzen Frühstück warteten wir vor dem Hostel auf Troy, der uns den Weg zu unserem Arbeitsplatz zeigen wollte. Am Treffpunkt stand noch ein weiteres Pärchen - Barry (24) und Edel (22) aus Irland. Sie erzählten uns, dass es auch für sie der erste Farmjob in Australien sei und sie genau so wenig wie wir einen Schimmer davon hatten, was uns erwarten würde. Troy fuhr auf den Hof und rief uns zu dass wir ihm folgen sollten. Wir stiegen zu Barry ins Auto und folgten ihm über eine unbefestigte Straße, zu einem Weingut Namens "Bracken Ridge Estate". Am Haupthaus angekommen, brauste Troy auch schon gleich wieder davon und ließ uns auf dem Parkplatz stehen. Ein stämmiger Mann mitte dreißig, mit kurzen, dunklen Haaren kam auf uns zu und stellte sich uns mit kräftigen Händedruck als Craig vor. In einem für uns anfangs kaum verständlichen Englisch (hier auf dem Land ist der australischen Akzent noch extremer), hieß er uns willkommen und reichte uns einige Formulare die es auszufüllen galt.

Außerdem gab es ein Heft mit allerlei Sicherheitshinweisen und im Anschluß einen schriftlichen Einstellungstest, um sicherzustellen dass auch jeder das Gelesene, im Gegensatz zu Craig, verstanden hatte. Bevor es an unseren ersten Job ging, erklärte und dieser noch kurz das Prinzip des Weingutes. Er selbst lebt zwar auf dem Weingut, es gehört ihm jedoch nicht. Der Eigentümer ist ein reicher Geschäftsmann, nach dessen Befehlen er es bewirtschaftet. Aufgrund des Einstellungstestes scherzten wir, dass es sich dabei wohl um einen Deutschen handeln muss, denn kein anderer Backpacker aus dem Hostel hatte jemals für einen Farmjob diese umfangreichen Auflagen erfüllen müssen. 

Darüber hinaus wird der Wein hier nur angebaut und geerntet. Die einzelnen Rebstücke werden jedes Jahr an verschiedene Unternehmen verkauft, welche ihrerseits dann die Weinherstellung übernehmen. Diese teilen Craig mit welche Weinsorte sie wünschen und wieviel Tonnen Trauben sie für die Produktion brauchen. Dementsprechend wird dann jedes einzelne Rebstück auf die individuellen Wünsche des Käufers bewirtschaftet und gegebenenfalls veredelt. Das Stück auf dem wir unsere erste Arbeit verrichten sollten, hatte dieses Jahr keinen Interessenten gefunden und war dementsprechend etwas verwildert. Aus den dicken Rebstümpfen wuchsen bereits die neuen Triebe heraus und unsere Aufgabe war es nun die Stümpfe zu säubern und alles Grüne zu entfernen. Dafür gab es eine spezielle Technik. 

Wir bekamen Handschuhe, die mit einer speziellen aufgerauhten Beschichtung überzogen waren. Irgendwie erinnerten sie stark an diese Kartoffel-Pellhandschuhe, die es bei uns im Fachhandel zu kaufen gibt. Allerdings könnte man mit diesen hier, im Nullkommanix Rösti daraus machen. Craig legte uns noch Einmalgummihandschuhe bereit, welche wir gerne darunter anziehen könnten, da die Pellhandschuhe wohl einen ziemlich starken Eigengeruch haben, den man auch nach zigmal Hände waschen nicht wegbekommt. Dann hieß es ran an die Stämme! Es galt mit Schwung, möglichst gleichzeitig auf beiden Seiten, am Rebstock herunter zu fahren, um damit die Äste und Triebe vom Stamm zu lösen. Das ging ganz einfach, zumindest die ersten hundert Stück. Es wurde immer mühseliger. Wir brutzelten in der Sonne, der Schweiss lief uns aus den Gummihandschuhen und der Rücken war mittlerweile auch alles andere als erfreut über die Betätigung. Hinzu kamen noch die fiesen, dicken Triebe knapp über der Erde. Nach ewigem, schweißtreibendem Herumgerupfe und Gezerre war klar, dass wir das mit bloßen Händen nicht schaffen würden.  Wir bekamen mechanische Hilfe angeboten und es galt eine Waffe zu wählen. Axt oder Astzange!?

Wir entschieden uns vorerst für die Axt, um es diesen blöden Trieben einmal so ordentlich zu geben. Doch bereits nach kurzer Zeit verlangte unser Handgelenk nach der Astzange. Mit neuer Motivation in der Hand ging es weiter. Anfangs dachten wir noch, dass wir das Stück locker an einem Tag schaffen würden. Wir sagen nur: „Übermut tut selten gut“ - hinter dem Hügel gingen die Reihen noch etwa doppelt solang weiter. Während der Arbeit lernten wir Mike (50) kennen. Er ist sozusagen die rechte Hand von Craig und fuhr ständig mit einem, sagen wir mal 4x4 Golfwagen (eigentlich Gator genannt), durch die Reihen. Er reichte uns Wasser, verteilte Sonnencreme und erkundigte sich nach unserem Befinden. Mike ist seit knapp sechs Monaten auf dem Weingut beschäftigt und ist ein absolut lustiger, liebenswerter Mensch. Er spricht ein „very british“ Englisch und sieht auch so aus. In Wirklichkeit ist er aber ein absoluter Multikulti-Mensch - Geboren in Zambia, aufgewachsen in Zimbabwe, gelebt in Südafrika, bis er mit vierzig beschloss seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Er fing an die Welt zu bereisen, arbeitete mal hier mal da für einige Monate, bis er sich nach zwei Jahren Neuseeland entschloss, nach Australien zu kommen. Nun, so meint er, hätte er einen Ort gefunden, an dem er höchstwahrscheinlich bleiben wird. Wahnsinn der Kerl! 

Nach nicht enden wollenden Stunden war es dann endlich soweit - FEIERABEND! Raus aus der brutzelnden Sonne, raus aus den Handschuhen. Unsere Hände sahen aus wie nach einem Tag im Schwimmbad. Die Handgelenke und Finger schmerzten bei jeder Bewegung, vom Rücken ganz zu schweigen. Im Bad bekamen wir nur noch mit Mühe das Schloss herumgedreht und  Barry, der uns auch noch Hause fahren musste, konnte kaum noch lenken. Die warme Dusche im Hostel war eine Wohltat und danach ging es zumindest mir wieder recht gut. Durch den Tierarztjob war mein Rücken schon einiges gewohnt oder besser gesagt - eh schon kaputt! Da ich den Schlüssel auf dem Bett liegen gelassen und die Türe zugezogen hatte, fanden wir uns nach dem Duschen ächzend im Garten wieder, wo wir Jans Kreuz noch mehr zusetzten und mit Hilfe einer Räuberleiter versuchten, durch das Fenster unseres Zimmers zu klettern. Wieder im Besitz unseres Schlüssels, machten wir uns auf in die Gemeinschaftsküche, um uns noch schnell ein Pack Nudeln mit Tomatensoße zu kochen, bevor wir total erledigt ins Bett fielen. Da Craig es uns selbst überließ wann wir morgens mit der Arbeit beginnen, hieß es am nächsten Morgen früh aufstehen.

Nach Absprache mit Barry und Edel, einigten wir uns darauf bereits um 05:30 Uhr in der Früh zu starten, um die Mittagshitze zu vermeiden und etwas früher Feierabend zu machen zu können. Am nächsten Morgen krochen wir mühsam aus dem Bett, denn der Schlaf war alles andere als erholsam. Zu dem Muskelkater in allen Gliedern, plagte uns die Fakirmatratze und die stehende Hitze im Zimmer. Nachts um halb zwei meinte dann noch irgendein Backpacker, die Küche und dem Lärm nach zu urteilen, alle Töpfe & Pfannen, benutzen zu müssen und sein zusammengetrommeltes Essen, auf- und abstampfend auf dem Mittelgang zu verspeisen. Auf dem Weingut angekommen, machten wir uns schmerzverzerrt wieder an die Arbeit. Mike kam wenig später mit dem Gator angebraust, verteilte Wasser und versuchte uns etwas aufzubauen. Er sagte uns dass dies die härteste Arbeit ist, die es auf einem Weingut zu verrichten gibt und erzählte uns von der neuen, angenehmen Aufgabe, welche wir im Anschluss in Angriff nehmen würden. 

Motiviert legten wir zum Endspurt an und konnten, dank Mikes Mithilfe, noch am selben Tag das "Höllenfeld" beenden und mit der neuen Arbeit beginnen. Diese bestand darin, die Führungsdrähte frisch veredelter Reihen nach unten zu versetzen, damit die neuen Triebe diese leichter erreichen können. Damit die Jungreben auch den Weg dorthin finden, haben wir anschließend die Rebstöcke mittels zwei Bastschnüren, mit den untersten Führungsdraht verbunden. Die einzige Schwierigkeit daran war es zu lernen, wie man(n) den Bast am Draht befestigen musste. Nach kurzer Zeit hatte ich den Bogen raus, wurde aber ständig von Barry unterbrochen, dessen motorische Fähigkeiten gegen Null zu gingen schienen. Ständig kam er zu mir rüber und fragte, ob ich es ihm nicht noch einmal zeigen könnte. Als er merkte, dass er mir nach dem zehnten Mal fragen so langsam auf den Wecker ging, machte er sich auf um Jan zu belagern. Dieser hatte eine Engelsgeduld und schaffte es schließlich, nach gefühlten hundert Anläufen, ihm die Knotenführung einzutrichtern. Kurze Zeit später hatten wir dann auch schon Feierabend und fuhren wieder zurück zum Hostel. Dort hieß es dann nur noch: Duschen, Essen, Bett.

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