Die letzten zwei Arbeitswochen waren trotz rauchiger Passagen sehr angenehm und bestückt mit abwechslungsreichen Aufgabengebieten und neuen Erfahrungen rund um den Weinanbau. So haben wir zum Beispiel ungewollte Triebe am Hauptstamm zurückgeschnitten, in verwilderte Rebstücke wieder Ordnung gebracht, umgekippte Reben aufgerichtet und den Sauvignon Blanc ausgelichtet. Letzteres bestand darin, große Ansammlungen von Traubenbündeln auszudünnen, um Krankheiten zu vermeiden und die Qualität der Verbleibenden zu steiegern. Das war eine ganz schön klebrige Angelegenheit, da manche sich regelrecht zu einem Knäul verflochten hatten, so dass man sich erst einmal zu einem Anfang durchwühlen musste. Es tat uns leid um die schönen, großen Bündel die wir herausschneiden und einfach auf den Boden werfen sollten. Auch Craig war nicht erfreut über diese Maßnahme, weil man davon gut und gerne noch einige Liter Wein hätte machen können.
Doch er musste die Anweisungen von Oben befolgen und jene besagten: Weg damit! Im Allgemeinen änderten sich diese ohnehin fast stündlich, so dass man meinen konnte, der Eiegntümer sei nicht nur deutscher Abstammung, sondern auch noch weiblichen Geschlechts. Dem war aber wohl nicht so, was jedoch nichts daran änderte, dass wir bereits nach anderthalb Tagen Ausdünnen, wieder davon abgezogen wurden und uns einer neuen, wichtigeren Arbeit widmen durften. „That`s Bracken Ridge, Baby!“, sagte Mike lachend und fuhr mit uns zur nächsten Aufgabe. Es war ein Rebstück mit Pinot Noir, das kurz vor der Ernte stand. Dort haben wir drei Tage lang einen sogenannten „Vorschnitt“ gemacht. Dabei wurden die, durch Sonne oder Vögel in Mitleidenschaft gezogenen, sowie die bis dato noch unreifen, grünen Traubenbündel mit bis zu 50% Grünanteil herausgeschnitten, damit der Rebstock seine ganze Energie in die Endreifung der restlichen Trauben steckt.
Bei dieser Arbeit fragten wir uns anfangs, ob wir vieleicht zu viel "deutsche Gründlichkeit" an den Tag legten, denn die anderen Backpacker hatten teilweise über eine Reihe Vorsprung uns gegenüber. Doch Mike versicherte uns, dass das so in Ordnung sei und Craig schon etwas sagen würde, wenn dem nicht so wäre. Das tat er dann auch, jedoch anders als wir erwartet hätten. Ziemlich entnervt trommelte er am nächsten Morgen alle zusammen und erklärte jedem abermals, welche Trauben es auszusortieren galt. Anschließend schickte er uns allesamt nochmals durch die bereits bearbeiteten Reihen. Schon nach wenigen Metern konnten wir nachvollziehen, warum Craig verärgert und wir so "langsam" waren, denn einige hatten die Sache wohl etwas zu locker genommen und lediglich den Teil auf Augenhöhe gesäubert, während sie den Rest einfach hängen ließen. Farmhunde Snoopy und Ruby, ein Border Collie und eine alte Golden Retriver Dame, waren stets mit von der Partie, wenn wir morgens auf dem Pick-Up in die Reben fuhren. Freudig hetzten sie neben dem Auto her und gesellten sich danach eine Weile zu uns.
Eines Morgens, wir fuhren gerade mit Mike zu unserem Einsatzort, sahen wir eine Herde Schafe zwischen den Reben laufen. Diese gehörten normalerweise in ein umzäuntes, unbenutztes Rebstück, welches Craig an benachbarte Schäfer vermietete. Die Schafe genossen wohl schon ein paar Stunden ihre Freiheit, denn sie hatten bereits zahlreiche Triebe der frisch veredelten Reben abgefressen und einen erheblichen Schaden angerichtet. Kurze Zeit später trafen die Schäfer ein, um den Zaun zu richten und ihre Herde, mit Hilfe von Motorrädern und Hunden, wieder zusammenzutreiben. Das war ein sehr amüsantes Schauspiel! Die Schäfer bellten und jaulten wie ihre Vierbeiner, während sie mit ihren Motorrädern wie irre, die Reben auf und ab rasten. Die Hunde selbst wiederum, jagten wie die Gestörten den Schafen hinterher, wobei sie keinen Unterschied machten, ob sie nun ein Schaf oder ein Motorrad vor sich hatten. Einer der Hunde biss wie wild in den Motorradreifen, als einer der Schäfer an ihm vorbei fuhr. Nun wussten wir auch, warum wir die Anweisung bekamen, uns nicht mit den Hunden abzugeben. Das war ein sehr amüsantes Schauspiel! Die Schäfer bellten und jaulten wie ihre Vierbeiner, während sie mit ihren Motorrädern wie irre, die Reben auf und ab rasten. Die Hunde selbst wiederum, jagten wie die Gestörten den Schafen hinterher, wobei sie keinen Unterschied machten, ob sie nun ein Schaf oder ein Motorrad vor sich hatten.
Einer der Hunde biss wie wild in den Motorradreifen, als einer der Schäfer an ihm vorbei fuhr. Nun wussten wir auch, warum wir die Anweisung bekamen, uns nicht mit den Hunden abzugeben. Nach einer Stunde waren alle Schafe wieder eingefangen und die Motorräder, samt Hund und Schäfer wieder verschwunden. Der Zaun wurde allerdings wohl nur sporadisch geflickt, denn am nächsten Morgen waren die Schafe erneut auf freiem Fuß unterwegs. Wir waren gerade mit dem Anbinden junger Reben beschäftigt, als wir sahen wie Ruby, die eigentlich total ruhige, gemächliche alte Dame, plötzlich hinter einem der Schafe herjagte und sich wie wild darin verbiss. Sie war nicht davon abzubringen und verschwand mit dem flüchtenden Schaf in den Reben. Wir waren alle sprachlos - Blutverschmiert kam sie wenig später zurück. Von Mike erfuhren wir, dass sie das Schaf gerissen hatte und Craig nun Ärger mit dem Schäfer drohte. Diese einigten sich jedoch darauf, dass sie nun "quitt" wären und um weitere Unfälle beiderseits zu vermeiden, wurden die Tiere mit einem Viehtransporter auf eine andere Weide verlegt.
Während unserer Arbeit, sind wir in dem dichten Blätterwerk immer wieder auf allerlei Getier gestoßen. Neben Fröschen, waren vor allem wunderschöne Spinnen, in allen Größen, Farben und Formen, vertreten. Besonders gerne verfingen wir uns in den Riesennetzen, welche alle paar Meter, einmal quer zwischen den Reihen gespannt waren. Deren Bewohner sahen zwar furchteinflößend aus, waren aber für den Menschen ungefährlich und so scheu, dass sie schon bei der kleinsten Erschütterung das Weite suchten. Trotzallem artete die Kollision mit solch einem Netz, meist in Kung Fu ähnliche Bewegungen aus, um sich schnellstmöglich aus den Fäden zu befreien. Am 21. Februar war es endlich soweit. Die Ernte des Pinot Noir stand an und somit unsere ersten Erfahrungen mit dem sogenannten „Contract picking“. Das bedeutet, dass man nach der Anzahl der Eimer die man pflückt, bezahlt wird.
Deswegen saßen wir bereits am Vortag schon auf heißen Kohlen und es brannte uns unter den Nägeln, herauszufinden wie wir uns wohl anstellen werden. Bereits in der Nacht träumte ich davon, wie wir uns durch die Reben schlugen, doch wir konnten weder das Weingut, noch die Trauben finden. Damit der Traum nicht doch noch Realität wurde, bestand ich darauf schon frühzeitig aufzubrechen, nur für den Fall der Fälle, dass wir uns auf dem Weg verfahren würden, den wir ja nur schon seit knapp zwei Wochen täglich fuhren. Frauenlogik, ich weiss! So standen wir am nächsten Morgen bereits um kurz nach fünf schon bei Craig auf der Matte. Wir holten unsere Scheren, welche Mike gestern für uns vorbereitet hatte und warteten im Aufenhaltraum auf den Rest der Truppe. Jan war wie immer die Ruhe weg und schmunzelte über die hibbelige Tante neben ihm, die einfach nicht still sitzen konnte. Neben uns Festangestellten, wurden noch 16 andere Backpacker von den umliegenden Hostels bestellt. Mittlerweile waren acht davon auf dem Weingut eingetroffen, die andere Hälfte hatte sich verfahren (Aha!) und so wurde ohne sie begonnen. Craig stand vor dem Pick-Up und erklärte uns die Vorgehensweise. Eine Liste wurde herumgereicht, auf dem jeder seinen Namen eintragen musste. Auf der Ladefläche lagen mehrere Kartenstapel, die jeweils mit einer Nummer bedruckt waren.
„Diejenigen, die denken dass sie schnell sind, nehmen sich bitte die größeren Stapel!“, rief Craig in die Menge. Da ich ganz optimistisch war, nahm ich mir so ziemlich den dicksten Stapel den ich finden konnte. Die Nummer 24 sollte für heute meine Glückszahl sein. Auf jeden vollen Eimer sollte man seine Nummer legen und diesen direkt unter den Reben stehen lassen. Hinter uns fährt anschließend ein Traktor mit einer großen Wanne, in den die Eimer dann entleert werden. Die Nummern werden eingesammelt, notiert und später ausgezählt. Pro Eimer sollte es um die $2,50 geben. Es galt zu zweit im Team zu arbeiten. Man stand sich gegenüber und arbeitete sich Abschnitt für Abschnitt, in eine Richtung voran. Nachdem alle verstanden hatten was zu tun war, schickte man uns in die Reihen. Jetzt ging es um die Wurst, ähm pardon Traube! Clip-Clip-Clip erster Eimer, Clip-Clip-Clip zweiter Eimer - Es machte richtig Spaß und ich war so im Pflückrausch, dass ich außer Trauben nichts mehr mitbekam. Ich hörte weder die anderen Backpacker, die mich versuchten in ein Gespräch zu verwickeln (entschuldige vielmals Valerie), noch hatte ich eine Ahnung, wo wir uns mittlerweile eigentlich befanden. Jedenfalls mussten wir schon die ersten Reihen hinter uns haben, da durch diese gerade der Traktor fuhr und die Eimer einsammelte. Wir hörten Craig und seine Mitarbeiter rufen: „24...13...24...24...5...24...24...24....was zum Teufel!“.... Das hörte sich ja schonmal nicht schlecht an!!! Wir wüteten uns weiter durch die Reihen....
Irgendwann hielt sich plötzlich niemand mehr an die Vorgabe, sich im Team voran zu bewegen und alle sprangen wie wild umher. Da Craigs Helfer nichts dagegen sagten, beschlossen auch wir uns aufzuteilen und jeweils einen Abschnitt alleine zu bearbeiten. Als ich auf Richard, einen anderen Backpacker traf, fragte ich neugierig wieviel Eimer er denn schon hätte. “Acht und du?", entgegnete er. Ich traute mich kaum zu sagen, dass das bereits mein siebenundzwanzigster war. Konnte das wirklich sein? Hatte ich mich verzählt? Scheinbar nicht, denn etwas später gingen mir dann die Nummern aus und ich musste einen verdutzten Mitarbeiter nach Nachschub fragen. Kurz darauf war das angestrebte Ziel von fünf Tonnen erreicht und das Pflücken war beendet. Fünf Stunden ging das Ganze und Jan hatte es in den letzten Minuten noch geschafft, sich mit der Rebschere in den Finger zu schneiden. Es war aber zum Glück nur halb so schlimm, wie es zunächst aussah. Craig nahm uns in seinem Pick-up mit zurück zum Farmhaus. Er unterhielt sich mit Mike über die Ernte und sagte dass wir heute sicherlich gutes Geld verdient hätten.
Kopfschüttelnd fügte er hinzu: “Hat sie doch tatsächlich einen zweiten Stapel Nummern verlangt!“. Am Haupthaus stand ein großer Lastwagen auf den gerade die zuvor gepflückten Trauben verladen wurden. Mike erzählte uns, dass diese nun gleich nach Bunbury zur Weiterverarbeitung gefahren werden. Da Craig und Mike ebenfalls dorthin mitfuhren, gab es für uns heute nichts mehr zu tun. Ohne zu wissen dass dies unser letzter Arbeitstag auf Bracken Ridge sein sollte, verabschiedeten wir uns mit einem kurzen „See ya on monday!“, ins Wochenende. Am Montag morgen, wir waren gerade im Begriff loszufahren, bekamen wir eine SMS von Craig, dass er heute keine Arbeit für uns hätte, wir morgen aber auf einem benachbarten Weingut bei Ernte mithelfen würden. Der Besitzer des Weingutes hieß Tim. Wir trugen uns auch hier auf eine Liste ein und bekamen eine Nummer zugewiesen.
Anders als bei Craig, hatte Tim keine Eimer, sondern schwarze, flache Körbe, auf die wir mit Kreide beidseitig unsere Nummer schreiben mussten. Ansonsten lief alles nach dem gleichen Schema ab. Allerdings wurde hier strickt darauf geachtet, dass Abschnitt für Abschnitt abgeerntet wurde und niemand aus der Reihe tanzte. Nachdem wir uns eine Zeit lang durch die Reihen gewütet hatten, stand plätzlich Tim neben uns und fragte ob einer von uns die Nr. 4 sei. Ich bejahte, woraufhin er meinte, dass ich innerhalb der ersten Stunde bereits über zehn Körbe hatte und auch Jan, die Nr.5 sehr gut dabei wäre. "That`s really good!", lobte er uns und drückte mir mit den Worten "Take this one, it's much better!", grinsend seine Rebschere in die Hand. Und sie war wirklich gut - Eimer für Eimer füllte sich unsere Reisekasse nun noch schneller. Nach fünfeinhalb Stunden war die Ernte beendet und uns wurde mitgeteilt, dass nächsten Montag bei Dave, einem Weingut namens "Pemberly," eine weitere stattfinden würde. Außerdem bräuchte man für den heutigen Tag, sowie am Montag keine „Paperwork" (Bankdetails & Steuernummer) abgeben, da alles über Troy direkt verrechnet werden würde. Unsere Skepsis diesbezüglich, bewahrheitete sich im Nachhinein als durchaus angebracht, dazu aber später mehr.
Da ich gestern irgendwo meinen Pulli verloren hatte, fuhren wir auf dem Rückweg noch kurz bei Craig vorbei. Dort erfuhren wir, dass er leider keine weitere Arbeit mehr für uns hatte. Anweisung von Oben! Es war zwar schade, da wir uns auf Bracken Ridge echt wohlgefühlt hatten, aber da wir das Hostel so schnell wie möglich verlassen wollten, kam uns das eigentlich gerade ganz gelegen. Wir bekamen noch ein paar Tipps, wo wir nach Arbeit fragen konnten und machten uns auch gleich auf den Weg die empfohlenen Farmen abzuklappern. Nachdem wir auf zwei Kartoffelfarmen unsere Telefonnummern hinterlassen hatten, schauten wir auf einer Apfelplantage vorbei, bei der Steve, ein Freund von Craig, ziemlich sicher war, dass dort momentan Arbeiter benötigt würden. Dort angekommen kam auch sogleich Michael Fox, der Besitzer höchstpersönlich, auf seinem Quad angefahren.
Es war ein hagerer, ungepflegter Mann, mit Drei-Tage-Bart und zerzaustem, rotem Haar. Seine große Hakennase unterstrich sein markantes Gesicht und vollendete das ausgeprägte, finstere Aussehen. „Ach ich dachte ihr seid jemand anders“, begrüsste er uns und erkundigte sich was wir wollten. Im Gespräch stellte sich neben der Tatsache, dass er einen Vollzetjob von über fünf Wochen für uns hatte, heraus, dass die Franzosen von denen wir Bruce gekauft hatten, bei ihm gearbeitet haben. Er fragte uns ob wir zufrieden seien mit dem Auto und merkte lachend an, dass die Vorgänger schon bereits damals Probleme damit gehabt hätten. Das war nichts, was wir nicht schon vermutet hätten, doch wir waren kurz davor unserem Ärger freien Lauf zu lassen. Vernünftiger Weise gingen wir dann aber doch nicht näher darauf ein, denn irgendwie schien es, als hätte er ein ziemlich gutes Verhältnis zu den zweien gehabt. Wir lenkten das Gespräch wieder auf das Jobangebot und erfuhren von ihm, dass wir schon gleich am nächsten Tag anfangen könnten.
Nachdem wir alles weitere bezüglich Hostelauszug, Lohn, Arbeitszeiten, etc. abgeklärt hatten, besieglten wir per Handschlag unseren neuen Job und fuhren überglücklich hinsichtlich den schnellen Erfolgs, zurück ins Hostel. Wir gaben Troys Rezeptionisten bescheid, dass wir uns selbst um einen Job bemüht hatten und er uns keine weiteren mehr vermitteln bräuchte. Mit dem Sonnenaufgang des nächsten Morgens, machten wir auf den Weg zu unserem neuen Arbeitsplatz. Beginn war um 05:50 Uhr, doch die Plantage war näher als wir es in Erinnerung hatten und ein Blick auf die Uhr sagte uns, dass wir bereits kurz vor halber unser Ziel erreichen würden. Wir wollten zwar etwas früher da sein, aber das schien uns dann doch etwas zu früh. Deshalb drosselten wir Bruce auf Schrittgeschwindigkeit herunter und tuckerten die letzten Kilometer im Schneckentempo zur Farm.
Obwohl wir immer noch knapp eine viertel Stunde zu früh waren, hatten wir zumindest erfolgreich zehn Minuten getilgt. Auf der Farm angekommen erwartete uns... - Niemand! Vorerst kümmerte uns das noch recht wenig, denn es würde sicherlich gleich jemand kommen. Als um 05:47 Uhr immer noch Totenstille herrschte, machten wir uns dann doch Gedanken, ob wir auch wirklich auf der richtigen Farm waren und beschlossen kurz Michael anzurufen. Dieser bestätigte uns richtig zu sein, meinte jedoch, dass wir ja viel zu früh wären, da wir doch zehn vor ausgemacht hatten. Viel zu früh? In Australien scheinen drei Minuten wohl eine halbe Ewigkeit zu sein! Aber gut, um kurz nach sechs bog schließlich ein Auto auf den Hof. Paul, der Vorarbeiter und ein Backpacker aus Estland, stellten sich uns vor. Wir begleiteten sie zu einem großen Lagerhaus, vor dem ein Traktor und mehrere Holzkisten standen. Diese galt es nun mit Plastikfolien auszulegen, welche zuvor über Nacht in Wasser eingelegt wurden. Wie uns gesagt wurde, diente das dem Schutz der Äpfel. Danach mussten wir uns die Erntebeutel umhängen und die Gurte korrekt einstellen, so dass man mit seinen Händen gerade noch den Boden des Beutels berühren konnte. Entleert wird dieser ebenso sanft, wie er befüllt wird.
Vorsichtig beugt man sich über die Holzkiste bis der Beutel knapp den Boden berührt, dann löst man beidseits die Kordeln, welche den Beutel verschlossen halten und entleert den Inhalt mit aller größter Vorsicht in die Kiste. Damit wird verhindert, dass die Apfel unschöne Dellen bekommen und verfaulen. In der Apfelplantage angekommen, wurde uns erklärt was wir ernten müssen. Es handelte sich um die Sorte "Royal Gala". Da noch nicht alle Äpfel reif waren, sollten wir selektieren und nur die richtig reifen ernten. Man erklärte uns, dass die Reifen röter sind, als die Unreifen. OK, soweit noch verstanden! Wir sollten auf die Musterung achten: nicht zu gescheckt oder gescheckt-weiss sollte sie sein. Gescheckt-gelb oder gescheckt-rot ist aber in Ordnung, wobei gescheckt-dunkelgelb auf mehlige Äpfel hindeutete, die es galt auszusortieren. Öööhm ja, dann wollen wir mal..!
Als wenig später dann noch die Frau von Michael dazu stieß und uns erklärte, dass es auch gescheckt-weiße Äpfel gibt die reif sind, was man an deren Stiel erkennen könnte, hing uns dann aber endgültig, mehr als nur ein Fragezeichen über den Kopf. Wir versuchten unser Bestes und begutachteten jeden Apfel kritisch von allen Seiten, bevor wir uns entschlossen ihn sachte zu pflücken, in der Hoffnung es war die Richtige Entscheidung. Die Frage die uns dabei ständig durch den Kopf ging: Ist dieser Apfel nun rot oder „rot“ ? Das Gute daran war, dass wir vorerst per Stunde und nicht per Kiste bezahlt wurden, denn während die anderen einen Apfel nach dem anderen pflückten und schon den halben Beutel voll hatten, beäugten wir immer noch fragwürdig das Obst. Als wir uns endlich für ein paar entschieden und im Glauben, alle roten erwischt zu haben, uns an den nächsten Baum machten, kam Paul und pflückte wortlos noch mindestens zwanzig weitere Äpfel ab. Verwirrt machten wir uns daran zu beobachteten, was die anderen so pflückten, sahen darin aber absolut keine Lösung für unser rotes Problem, denn die pflückten einfach alles! Bevor wir endgültig verzeifelten, beschlossen wir irgendwann, es ihnen gleich zu tun und einfach drauf los zu pflücken. Immer mit dem kritischen Blick was Paul gerade pflückte, griffen wir zu ungefähr gleich ausstehenden Äpfeln. Paul schien zufrieden - zumindest mit mir, denn bei Jan hatte er immer etwas auszusetzen, obwohl seine Äpfel eigentlich besser aussahen, wie die von Paul. Bei mir tat sich, neben der richtigen Apfelauswahl, allerdings noch ein weiteres Problem in Form meines Rückens auf.
Ein gefüllter Beutel wog zwischen fünfundzwanzig und dreißig Kilo und das bekam ich bereits nach kurzer Zeit zu spüren. Um 09:30 Uhr gab es zu meiner Erleichterung eine kurze Pause, in der wir die Gelegenheit nutzten, um Paul von unserem Erntejob am kommenden Montag zu erzählen. Wir hatten von „Pemberly“ die Zusage bekommen, bei der Traubenernte auch ohne Hostel mit helfen zu dürfen und wollten Dave nun eigentlich ungern wieder absagen. Paul meinte es sei kein Problem und er würde Michael bescheid geben. Wir boten an, nach der Ernte gleich wieder zu kommen und hier weiter zu helfen, doch er meinte es sei nicht nötig, weil sie, wenn überhaupt, eh nur ein paar Stunden selektiv pflücken würden. Etwas irritiert über Pauls Aussage, da Michael uns gestern noch sagte dass es ein Vollzeit Job sei, beschlossen wir während des Pflückens, nochmals die Details über unsere Arbeit zu erfragen. Weil Michael sich nicht blicken ließ, wanden wir uns abermals an Paul. Er erzählte uns, dass wir, solange noch nicht alle Äpfel reif sind, per Stunde bezahlt werden. Es würde sich aber nur noch um Tage handeln, bis wir „per Contract“ pflücken würden. Von Michael bekamen wir gestern die Information, dass wir pro Kiste zwischen 30 und $35 bekommen würden. Aufgrund dessen fragten wir den Esten und Paul, wieviel Kisten sie denn so pro Tag schaffen würden. "Wenn man sich ordentlich ranhält, gute zwei bis zweieinhalb.", bekamen wir als Antwort. In unseren Köpfen ratterten die Zahnräder und uns stellten sich weitere Fragen, die es zu klären galt.
Wieviel Kilo passen in eine Kiste? Waren wir vielleicht schneller? Und vor allem, was mache ich wegen meinem Rücken? Momentan befüllte ich den Beutel immer nur bis zur Hälfte, um den Rücken zu entlasten, doch wenn es sich lohnen sollte, war das beim Contract Picking nicht drin. Paul meinte zwar, dass man nach drei bis vier Tagen die Schmerzen nicht mehr spüren würde, er uns aber empfiehlt, jeden Morgen schon mal vorsorglich ein paar „Painkiller“ (Schmerzmittel) einzunehmen. Wie bitte!? Ehrlich gesagt wollte ich mir nicht wegen fünf Wochen, den Rücken für den Rest meines Lebens kaputt machen. Während wir darüber grübelten, wie wir es wohl am geschicktesten anstellen würden, war zu unserer Verwunderung, um 12:30 Uhr der Arbeitstag bereits zu Ende. „Morgen wieder um sechs!“, hieß es plump und wir wurden verdutzt auf dem Gelände stehen gelassen. Etwas enttäuscht fuhren wir vom Hof und machten noch einen Abstecher bei Bracken Ridge, um zu schauen, ob mein Kaputzenpulli mittlerweile wieder aufgetaucht ist. Dort angekommen wurden wir gleich herzlich begrüßt und quatschten miteinander, als wären wir nie weg gewesen. Wehmütig mussten wir uns daran erinnern, dass wir jetzt gleich wieder den Hof verlassen und nicht mit Craig, Mike und Co. zur Arbeit rausfahren würden. Es machte uns schon etwas traurig, denn irgendwie fühlten wir uns auf der Apfelfarm nicht wirklich willkommen, sondern eher als Mittel zum Zweck. Michael ließ sich kaum blicken und wenn doch, dann unterhielt er sich nur mit Paul, während er uns keines Blickes würdigte. Erst wenn wir ihm ein "Good morning!" zuwarfen, hob er kurz die Hand, bevor er wieder davon brauste.
Auch seine Frau und die beiden Söhne, welche er aufgrund ihres ebenso markanten Aussehens, in keinster Weise verleugnen konnte, verhielten sich irgendwie seltsam uns gegenüber und wir wurden das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Wir wussten nur noch nicht was! Leider war der Pulli bis dato nicht auffindbar, doch Craig versprach sich zu melden, falls er doch noch auftauchen sollte. Steve erkundigte sich, wie die Arbeit bei Fox lief und war ebenso verwundert dass wir bereits Feierabend hatten. Er gab uns den Rat, morgen nochmals nachzuhaken, denn wenn es sich nicht um einen Vollzeitjob handeln sollte, wären wir in jeden Fall besser bei der Traubenernte aufgehoben. Craig wünschte uns viel Spaß am Montag bei Dave und machte uns jetzt schon den Mund wässrig, indem er uns erzählte dass alles voll mit dicken, großen Traubenbündeln hinge, die nur noch darauf warten würden, von uns gepflückt zu werden. "Es wird sich für euch lohnen!", versprach er.
Was uns am nächsten Morgen bei Foxes erwartete, machte die Vorfreude jedoch gleich wieder zunichte. Paul kam auf uns zu und meinte trocken: „Michael lässt ausrichten, dass wir uns entscheiden sollten: Entweder er oder Pemberly. Wenn wir am Montag zur Traubenernte gingen, bräuchten wir nicht mehr kommen!“ - Das hatte gesessen! Seltsamer Weise meinte Paul aber später, dass es am Montag höchstwahrscheinlich keine Arbeit geben würde, da die Äpfel noch nicht reif genug wären. Wir blickten langsam nicht mehr durch. Was nun? Sollten wir uns die lohnenswerte Traubenernte entgehen lassen, obwohl wir uns bezüglich der weiteren Arbeit hier, ohnehin in vielerlei Hinsicht unsicher waren? Um 09:30 Uhr hieß es dann schon wieder, dass es das für heute gewesen sei. Auf unser Nachfragen bei Michaels Frau bezüglich des Vollzeit Jobs, bekamen wir die lasche Antwort, dass es halt momentan nicht mehr zu tun gäbe und einfach geschaut wird, was sich die nächsten Tage so ergbit. Wann beziehungsweise ob wir am Montag zur Arbeit erscheinen sollten, würden sie uns am Wochenende noch telefonisch mitteilen. Das schien uns alles irgendwie seltsam, die Aussagen widersprachen sich noch und nöcher und wir hatten kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Grübelnd liefen wir zurück zu Bruce, wo wir nach einer kurzen Lagebesprechung den Entschluss fassten, nochmals zu Michaels Frau zu gehen und ihr mitzuteilen, dass wir ab Montag nicht mehr kommen würden. Wir erzählten ihr von meinem Rückenproblem und dass wir es deshalb vorzogen, uns lieber nach einem anderen Job umzuschauen. Wir entschuldigten uns für die plötzliche Absage und boten ihr deshalb an, solange noch weiter zu arbeiten, bis sie Ersatz gefunden hatten.
Sie winkte jedoch ab und meinte das sei kein Problem, denn es wäre schnell jemand Neues gefunden. Nachdem wir ihr unsere Arbeitsformulare und Kontodaten gegeben hatten, verließen wir die Farm und waren bereits jetzt erleichtert über unsere Entscheidung. Da Jan seine Kontonummer nicht parat hatte, fuhren wir am nächsten Tag nochmals kurz vorbei und gaben sie bei Michael persönlich ab. Er laß die Kontonummer laut vor, um sicher zu gehen, dass auch alles richtig war und versprach es gleich an seine Frau weiterzugeben, da sie für die finanziellen Angelegenheiten zuständig sei. Zurück im Hostel, erfuhren wir von Barry und Adel, dass sie unseren Job über Troy vermittelt bekommen haben. Was sie uns in den nächsten Tagen erzählten, bestätigte uns, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten. Auch sie wurden alles andere als freundlich behandelt, bekamen jedoch 40 - 45 Dollar pro Kiste ausbezahlt. Soso, wollte die liebe Familie Fox ihren Namen also alle Ehre machen und uns übers Ohr hauen! Zehn Dollar weniger pro Kiste hätten sie uns bezahlt, wenn wir geblieben wären. Doch es kam noch dicker! Da wir nach zwei Wochen immer noch keinen Lohn auf dem Konto hatten, baten wir Barry und Adel, Michael einen Brief von uns zu überreichen. Dieser beinhaltete neben unseren Kontodaten, auch die Bitte ein Hemd, dass ich (mal wieder) liegen gelassen hatte, den beiden mit zu geben.
Adel überbrachte mir die Nachricht, dass sie die Zahlung einleiten würden, das Hemd aber leider nicht gefunden hätten. Wochen vergingen in denen nichts passierte. Wir riefen nochmals an und hinterließen eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, bei der wir abermals unsere Kontonummern durchgaben. Die Wochen zogen ins Land und wir hatten immer noch keinen Geldeingang von Fox vermerkt. Zufällig trafen wir die beiden im örtlichen Pub. Zuerst machten sie so, als würden sie uns nicht sehen, doch wir passten sie direkt an der Türe ab, so dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als mit uns zu sprechen. „Ach hallo, ihr seid immer noch da? Ja was macht ihr denn jetzt?“, wurde uns vorgesäuselt. Wir fassten uns kurz und kamen gleich auf den Punkt. Ganz verwundert schauten sie sich an und gaben uns in schlechtester Schauspielkunst zu verstehen, dass sie das Geld eigentlich schon lange überwiesen hätten und wir doch nochmals unsere Geldeingänge überprüfen sollten. Wir entgegneten, dass wir das bereits mehrfach gemacht hätten, woraufhin Michael sagte, dass er sich erinnerte, dass er nicht mehr genau wusste, ob es eine sieben oder eine eins in der notierten Kontonummer sein sollte und es daher sein könnte, dass er die Zahlen verdreht hat. Mit den Worten, sie würden es auf jeden Fall nochmals prüfen und uns das Geld überweisen ,verabschiedeten sie sich von uns. Zahlendreher! Ja klar, sie hatten unsere Kontonummern ja nur in zigfacher Ausführung bereits vorliegen und seltsamer Weise ist auf meinem Konto, welches keine der besagten Nummern besitzt, trotzdem kein Geld eingegangen. So tat sich nach diesem Gespräch, wie bereits erwartet, auch weiterhin nichts im Kontoeingang. Mittlerweile hatten wir mit einem anderen Pärchen gesprochen, das vor einem Jahr genau dasselbe Problem mit den beiden hatte. Sie haben uns den Rat gegeben, nochmals bei Foxes vorbei zu gehen und einmal ordentlich auf den Tisch zu hauen, denn bei ihnen hatte es damals auch erst auf diese Weise gefruchtet. Fox wollte es also auf die harte Tour, dass konnten sie haben! Fest entschlossen, fuhren wir an einem freien Wochenende auf die Farm.
Nach kurzem klingeln öffnete Michaels Frau die Türe - Da hatten wir ja gerade die richtige erwischt! Ich fing ganz freundlich an zu fragen, wo denn unser Geld sei, woraufhin sie uns entgegnete, dass sie kein Geld überweisen kann, wenn sie keine Kontonummer von uns hat. Da platzte Jan der Kragen, aber so gewaltig, dass ich nur noch daneben stand und mit großen Augen den lautstarken Schlagabtausch der beiden verfolgte. Ganz kurz warf ich mit ruhiger Stimme, nochmals die Tatsache ein, dass sie sich gerade in Wiedersprüche verstrickte und zählte die Fakten auf. Doch ab dort klinkte ich mich aus, denn ich war einfach zu Baff über den Mann der da neben mir stand und mit erhobener Stimme und geballter Faust für unser Recht kämpfte. In den ganzen zwölf Jahren hatte ich Jan noch nie so erlebt. Sie schrieen sich gegenseitig an, dass nur so die Fetzen flogen. Jan drohte mit der Polizei und sagte, dass er nicht eher gehen wird, bis sie das Geld überweisen würde. Micheals Frau keiffte böse zurück und schlug die Türe zu, um sie gleich wieder zu öffnen. „Ich überweise das Geld!“ , schrie sie und jetzt sollen wir machen, dass wir hier verschwinden. Jan gab ihr eine Frist von fünf Tagen und wenn dann immer noch nichts eingegangen wäre, dann könnten sie was erleben. Ich für meinen Teil hatte bereits genug erlebt, denn Jans forsche Stimme ging mir so durch Mark und Bein, dass selbst ich mich eingeschüchtert wieder in den Van setzte. Gerade als wir vom Hof fuhren, liefen ihre zwei Söhne mit einem Gewehr an uns vorbei zum Haus. Zum Glück hatten sie nichts von unserer kleinen Unterhaltung mitbekommen, sonst wäre Bruce jetzt vielleicht Schweizer Käse.
Jans Ausraster schien sich aber gelohnt zu haben, denn pünktlich mit dem fünften Tag, war unser Lohn auf dem Konto und sogar mehr als wir uns ausgerechnet hatten. Vielleicht hatte sie vorsichtshalber gleich noch die Verzugszinsen dazugerechnet, um Jan nicht nochmals zu verärgern. Spaß bei Seite, es war uns schnurzpiepegal! Die Hauptsache war, dass wir nicht nachgegeben haben und unseren Lohn, nach einem drei monatigem Kampf, endlich in den Händen hielten. Wir hatten den Fox besiegt!!! Nach der ganzen Aktion trafen wir zufällig den Esten, der damals die zwei Tage mit uns arbeitete, im Supermarkt in Manjimup. Wir kamen ins Gespräch und erzählten ihm die Story. Diese war für ihn alles andere als unbekannt, denn während seiner Zeit bei Fox, hatte er diesbezüglich so einiges mitbekommen. Er selbst wurde immer pünktlich bezahlt, jedoch wurde die Geschichte mit dem Zahlendreher oder der fehlenden Kontonummer, bei allen Backpackern versucht, die kürzer als eine Woche dort beschäftigt waren. Die meisten ließen es irgendwann sein, weil ihnen der Aufwand zu groß oder sie bereits weitergereist waren, und so kam die Foxbande bereits mehr als nur einmal damit durch. Was für ein hinterlistiges Pack!! Barry und Adel hatten übrigens auch bereits vorzeitig wieder gekündigt. Ob sie jedoch ihren Lohn ohne größere Umschweife bekommen haben, ist uns leider nicht bekannt.
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Papa (Donnerstag, 03 Januar 2013 19:04)
Alle Achtung, reize niemals einen Hauschting, denn Du könntest Dich über das Ergebnis wundern. Ich hoffe dass Euch größerer Unbill verschont. Es ist schön Euch etwas miterleben zu dürfen.
Gruß
Paps und Angi